Durch Urteil (2 BvE 2/14) hat der Zweite Senat des BVerfG eine Organklage der NPD gegen die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend wegen einer Äußerung in einem Zeitungsinterview vor der Landtagswahl 2014 in Thüringen zurückgewiesen.

Der Sachverhalt

Die Bundesfamilienministerin nahm in Weimar an der Verleihung des Thüringer Demokratiepreises teil. Daneben gab sie an diesem Tag ein Zeitungsinterview. Auf die Frage, wie im Falle eines Einzugs der NPD in den Landtag mit deren Anträgen im Parlament oder auf Kommunalebene umzugehen sei, antwortete die Bundesfamilienministerin u. a.: 

"Aber ich werde im Thüringer Wahlkampf mithelfen, alles dafür zu tun, dass es erst gar nicht so weit kommt bei der Wahl im September. Ziel Nummer 1 muss sein, dass die NPD nicht in den Landtag kommt." Die NPD als Antragstellerin sieht sich hierdurch in ihrem Recht auf Chancengleichheit gemäß Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG verletzt.

Aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (2 BvE 2/14)

Mitglieder der Bundesregierung sind bei Wahrnehmung ihrer amtlichen Funktion an die Grundrechte sowie an Gesetz und Recht gebunden (Art. 1 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 3 GG. Schon deshalb ist ihr jede Äußerung untersagt, die in anderen Zusammenhängen als "Schmähkritik" im Sinne der §§ 185 ff. StGB zu qualifizieren wäre. Ungeachtet dessen haben Mitglieder der Bundesregierung die Pflicht, das Recht der politischen Parteien auf Chancengleichheit aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz und das daraus folgende Neutralitätsgebot zu beachten.

Das Neutralitätsgebot gilt jedoch nur, soweit die Äußerung eines Mitglieds der Bundesregierung unter spezifischer Inanspruchnahme der Autorität seines Amtes oder der damit verbundenen Ressourcen erfolgt.

Ob die Äußerung eines Mitglieds der Bundesregierung unter spezifischer Inanspruchnahme der Autorität des Regierungsamtes oder der mit ihm verbundenen Ressourcen stattgefunden hat, ist nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles zu bestimmen. Zu bejahen ist dies regelmäßig, wenn ein Bundesminister bei einer Äußerung ausdrücklich auf sein Ministeramt Bezug nimmt oder die Äußerung ausschließlich Maßnahmen oder Vorhaben des von ihm geführten Ministeriums zum Gegenstand hat. Amtsautorität wird ferner in Anspruch genommen, wenn der Amtsinhaber sich durch amtliche Verlautbarungen etwa in Form offizieller Publikationen, Pressemitteilungen oder auf offiziellen Internetseiten seines Geschäftsbereichs erklärt. Auch aus äußeren Umständen - wie der Verwendung von Staatssymbolen und Hoheitszeichen, der Nutzung von Amtsräumen oder dem Einsatz sonstiger Sach- oder Finanzmittel - kann sich ein spezifischer Amtsbezug ergeben. Dieser liegt auch vor, wenn ein Bundesminister sich im Rahmen einer von der Bundesregierung verantworteten Veranstaltung äußert oder ausschließlich aufgrund seines Regierungsamtes an einer Veranstaltung teilnimmt.

Im konkreten Fall ist ein solcher Bezug weder den äußeren Umständen noch dem Interview selbst zu entnehmen. Daher ist die von der NPD angegriffene Äußerung dem politischen Meinungskampf zuzuordnen, der nicht dem Neutralitätsgebot unterliegt.

Gericht:
Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 16.12.2014 - 2 BvE 2/14

BVerfG, PM Kurzfassung
Rechtsindex - Recht & Urteile
Ähnliche Urteile:

Der Kläger habe sich durch seine Tätigkeit als Vorsitzender des Kreisverbandes Bremen-Stadt der NPD als waffenrechtlich unzuverlässig erwiesen. Es bestehe kein Zweifel daran, dass die Aktivitäten der NPD sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten, so das Urteil des VG Bremen. Urteil lesen

Die Entscheidung des Kreistages des Landkreises Südwestpfalz, eines seiner Mitglieder, das der NPD angehört, als Beisitzer aus dem Kreisrechtsausschuss des Landkreises Südwestpfalz abzuberufen, war rechtmäßig. Dies hat das VG Neustadt mit Urteil entschieden. Urteil lesen

Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) durfte zu Recht am 27. Januar 2012, dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, keine öffentliche Versammlung durchführen, so das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz. Urteil lesen

Wie sich aus dem Duktus der Äußerungen des Bundespräsidenten ergibt, diente die Bezeichnung als "Spinner" - neben derjenigen als "Ideologen" und "Fanatiker" - als Sammelbegriff für Menschen, die die Geschichte nicht verstanden haben und nationalistische und antidemokratische Überzeugungen vertreten. Urteil lesen


Werbung
Werbung auf Rechtsindex.de