Für ein bundesweites Stadionverbot reicht nicht jedes auffällige Verhalten aus, das als Argument für eine Gefährlichkeit verwendet werden kann. Das Persönlichkeitsrecht und das Gebot der Gleichbehandlung lassen es nicht zu, einen einzelnen Zuschauer ohne sachlichen Grund vom Zutritt zu Stadien auszuschließen.

Der Sachverhalt

Der 30-jährige Kläger ist Fußballfan des 1. FC Nürnberg und begab sich nach München, um ein Spiel der 1. Bundesliga anschauen. Gegen Mittag befand er sich in einer Gruppe von ca. 400 Anhängern des 1. FC Nürnberg in der Nähe einer U-Bahn-Haltestelle.

Die Gruppe wurde von Polizeibeamten zum Stadion begleitet, als Anhänger des FC Bayern versuchten, zu der Gruppe zu gelangen. Es kam zu Gewalttätigkeiten von einem Teil der Gruppe der 1. FC Nürnberg Fans gegenüber den Polizeikräften. Es wurden Äste und andere Gegenstände als Schlagwerkzeuge gegen die Polizeibeamten eingesetzt. Hierbei wurden mehrere Beamte zum Teil erheblich verletzt. Der Großteil der Gruppe hat sich nicht an den gewalttätigen Auseinandersetzungen beteiligt.

Gegen den Kläger wurde ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Begehung eines Landfriedensbruchs eingeleitet. Nach dem Stand der Ermittlungen kann die Tat aber nicht nachgewiesen werden. Der Münchner Fußballverein wurde von der Polizei über das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger informiert und verhängte gegen den Kläger ein bundesweit wirksames Stadionverbot bis 30.6.16. Der Verein begründete das Stadionverbot mit § 4 Absatz 3 Nummer 7 der Richtlinien des Deutschen Fußballbundes. Danach soll ein überörtliches Stadionverbot ausgesprochen werden, wenn ein Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruchs eingeleitet wurde.

Der Kläger verlangte vom Verein die Aufhebung des bundesweiten Stadionverbotes. Da dieser das Stadionverbot nicht zurücknahm, erhob der Fußballfan nun Klage vor dem Amtsgericht München.

Das Urteil des Amtsgerichts München (Az. 242 C 31003/13)

Der Fußballfan bekam Recht. Grundsätzlich sei der Verein berechtigt, ein bundesweites Stadionverbot zu verhängen aufgrund des eigenen Hausrechts und des Hausrechts der übrigen Vereine der Fussballbundes- und -regionalligen, die sich gegenseitig zum Ausspruch des Verbotes bevollmächtigt haben. Diese Befugnis unterliege jedoch Beschränkungen.

Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass das von dem Verein ausgesprochene Stadionverbot nicht rechtmäßig ist. Es lasse sich - auch nach den polizeilichen Ermittlungen- nicht feststellen, dass der Kläger die ihm vorgeworfenen Gewalttaten begangen hat. Es habe nicht nachgewiesen werden können, dass der Kläger zu denjenigen Nürnberger Anhängern gehört habe, die gewalttätig gegen die Polizeibeamten vorgegangen sind. Der Kläger sei zwar durch aggressives Verhalten aufgefallen, weil er auf einen Polizeibeamten zu gerannt und mehrmals in die Luft gesprungen sei, wobei er die Fäuste geballt und geschrien habe. Dieses Verhalten begründe noch nicht einen Anfangsverdacht für einen Landfriedensbruch und ebenso wenig den Tatbestand einer anderen in § 4 Absatz 3 der Richtlinien des Deutschen Fußball Bundes genannten Straftat.

Das Gericht stellt fest, dass ein auffälliges Verhalten für die Verhängung eines bundesweiten Stadionverbotes jedenfalls dann nicht ausreicht, wenn dieses Verhalten nur als Argument für eine nicht näher definierte Gefährlichkeit verwendet werden kann. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das in Artikel 2 Absatz 1 Grundgesetz in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz garantiert ist, und das Gebot der Gleichbehandlung, das aus Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz folgt, lassen es nicht zu, einen einzelnen Zuschauer willkürlich, das heißt ohne sachlichen Grund, vom Zutritt zu Stadien auszuschließen (BGH, Urteil vom 30.10.2009)

Gericht:
Amtsgericht München, Urteil vom 22.10.14 - 242 C 31003/13

AG München
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