Ist die Besorgnis der Befangenheit begründet, wenn Richter und Rechtsanwalt der Gegenseite regelmäßig Aufsätze, Urteilsanmerkungen und Kommentierungen verfassen? Kann eine solche Zusammenarbeit Anlass bieten, um an der Unvoreingenommenheit zu zweifeln?

Der Sachverhalt

In der Sache ging es um Architektenhonorar, welches der Kläger vom Beklagten begehrt. Der Kläger lehnte den Richter als befangen ab, weil dieser zusammen mit dem Rechtsanwalt der Gegenseite Aufsätze, Urteilsanmerkungen und Kommentierungen verfasse. Des Weiteren würden Richter und Rechtsanwalt eine Vielzahl von Fortbildungen für Rechtsanwälte, insb. auch auf dem Gebiet des Bau- und Architektenrechts leiten. Dies lasse eine enge persönliche Beziehung vermuten.

Das Landgericht sah darin keine Befangenheit, da die wissenschaftliche Tätigkeit des Richters so umfangreich sei, dass das Gewicht der Zusammenarbeit mit dem Rechtsanwalt der Gegenseite, als nicht ausreichend anzusehen sei. Der Kläger reichte sofortige Beschwerde ein und betonte, dass es allein um die Frage gehe, ob aus der Sicht einer ruhig und vernünftig denkenden Partei objektive Gründe dafür vorliegen, die ihr Anlass geben, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln. Auch die Beschwerde vor dem OLG Celle hatte keinen Erfolg.

Die Entscheidung des Oberlandesgericht Celle (Az. 9 W 43/14)

Der Kläger streicht den Maßstab heraus, ob die ablehnende Partei aufgrund objektiver Umstände Anlass hat, an seiner Unvoreingenommenheit zu zweifeln.

Es bestehe kein Anlass, an der Unvoreingenommenheit zu zweifeln

Die recht enge wissenschaftliche Zusammenarbeit des Richters und des Rechtsanwalts allein bietet einen solchen Anlass nicht. Die gemeinsam betriebene Förderung der juristischen Fachdiskussion gibt für sich genommen keinen hinreichenden äußeren Anlass, um an der Unvoreingenommenheit zu zweifeln. Sie stellt zum einen die Ausübung der grundgesetzlich geschützten Wissenschaftsfreiheit dar und zum anderen die Förderung der Fachauseinandersetzung und damit des Fachwissens auf dem gegenständlichen Fachgebiet.

Wollte man jede wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen Rechtsanwalt und Richter als Grundlage für eine mögliche Wahrnehmung als voreingenommen ausreichen lassen, so würde ein schützenswerter Zweig juristischer Betätigung abgeschnitten.

Wann besteht Anlass, um an der Unvoreingenommenheit zu zweifeln?

Eine solche Zusammenarbeit kann aber einen Umfang erreichen, der objektive Gründe dafür bietet, dass die betroffene Partei den Richter nicht mehr als unvoreingenommen einschätzen kann. Dies liegt dann vor, wenn die wissenschaftliche Zusammenarbeit zu einem besonderen persönlichen Näheverhältnis führt, sei es zu einer echten engen privaten Freundschaft oder sei es, dass die Zusammenarbeit z.B. in der Hochphase einer Manuskriptfertigung mehrmals wöchentlich persönliche Zusammenkünfte zur Folge hat. Hier ist zu vermuten, dass neben der wissenschaftlichen Arbeit - naturgemäß auch die Kümmernisse vom Arbeitsplatz ausgetauscht werden. Im hier voliegenden Streitfall verneinte der Senat eine solche Dichte der Zusammenarbeit.

Gericht:
Oberlandesgericht Celle, Beschluss vom 02.04.2014 - 9 W 43/14

OLG Celle
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