Nach Urteil des BVerwG kann ein redlich erworbener Doktorgrad wegen eines späteren unwürdigen Verhaltens in der Gestalt der Manipulation und Fälschung von Forschungsergebnissen entzogen werden.

Der Sachverhalt

Der Kläger ist Physiker. Er wurde von der beklagten baden-württembergischen Universität im Januar 1998 zum Doktor der Naturwissenschaften promoviert. Vom Sommer 1998 bis zum Herbst 2002 befasste sich der Kläger in einer Forschungseinrichtung in den USA mit Forschungen und Experimenten zur Supraleitung und zur Herstellung von Nano- Bauelementen.

Kläger habe mehrfach Daten manipuliert und falsch dargestellt

Er war an einer Vielzahl wissenschaftlicher Publikationen beteiligt, die in der wissenschaftlichen Öffentlichkeit teilweise als bahnbrechend gewürdigt wurden. Nachdem eine von der Forschungseinrichtung eingesetzte Kommission nach der Untersuchung von 25 Ausarbeitungen aus den Jahren 1998 bis 2002 festgestellt hatte, der Kläger habe die Originaldaten der beschriebenen Experimente nicht systematisch archiviert sowie mehrfach Daten manipuliert und falsch dargestellt, endete dessen dortige Tätigkeit.

Universität entzieht Kläger den verliehenen Doktorgrad

Im Juni 2004 entzog die beklagte Universität dem Kläger den von ihr verliehenen Doktorgrad. Sie stützte sich dabei in tatsächlicher Hinsicht auf die Untersuchungen der in den USA tätig gewordenen Kommission und in rechtlicher Hinsicht auf eine Vorschrift des baden- württembergischen Hochschulrechts, nach der ein Hochschulgrad entzogen werden kann, wenn sich der Inhaber durch sein späteres Verhalten der Führung des Grades als unwürdig erwiesen hat.

Den Widerspruch des Klägers gegen die Entziehungsverfügung wies die beklagte Universität im Oktober 2009 zurück. Zuvor hatte sie eine Fehleranalyse zu sieben der bereits durch die Kommission in den USA untersuchten Publikationen erstellt und war - wie auch bereits der Hauptausschuss der Deutschen Forschungsgemeinschaft in Bezug auf zwei weitere Ausarbeitungen aus diesem Kreis - zu einem vergleichbaren Ergebnis gelangt. Das Verwaltungsgericht Freiburg i. Br. hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der beklagten Universität hat der Verwaltungsgerichtshof Mannheim das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision des Klägers zurückgewiesen.

Die Entscheidung

Nach der für das Bundesverwaltungsgericht bindenden Auslegung der landesrechtlichen Entziehungsvorschrift durch den Verwaltungsgerichtshof hat der Rechtsbegriff des unwürdigen Verhaltens einen Wissenschaftsbezug. Danach erweist sich ein Titelinhaber dann als unwürdig zur Führung des verliehenen Doktorgrades, wenn er den mit der Verleihung begründeten Vertrauensvorschuss im Hinblick auf ein wissenschaftskonformes Arbeiten durch gravierende Verstöße gegen die Grundsätze guter wissenschaftlicher Praxis enttäuscht hat, so dass zum Schutz des wissenschaftlichen Prozesses vor Irreführung eine Korrektur in Form der Entziehung vorgenommen werden muss.

Urteil: Unwürdigkeitsvoraussetzungen durch Fälschung und Manipulation von Daten erfüllt

Mit dieser Ausrichtung auf den Wissenschaftsprozess und nicht etwa auf einen vorgeblich herausgehobenen persönlichen Rang der Promovierten verletzt die landesrechtliche Entziehungsvorschrift nicht das rechtsstaatliche Gebot der Gesetzesbestimmtheit, zumal sie in ihrer bindenden Auslegung durch den Verwaltungsgerichtshof nur vorsätzliche oder grob fahrlässige Verstöße gegen wissenschaftliche Kernpflichten erfasst, zu denen insbesondere das Verbot einer Erfindung, Fälschung oder Manipulation von Forschungsergebnissen gehört. Mit diesem Inhalt ist die Vorschrift auch mit dem Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, der durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Berufsfreiheit und dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.

Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass der Kläger die derart verstandenen Unwürdigkeitsvoraussetzungen durch die Fälschung und Manipulation von Daten erfüllt hat. Mit seinen gegen diese Feststellungen gerichteten Verfahrensrügen ist der Kläger vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht durchgedrungen. Auch die Ermessensausübung der beklagten Universität hat der Verwaltungsgerichtshof zu Recht nicht beanstandet.

Gericht:
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 31.07.2013 - 6 C 9.12

BVerwG, PM Nr. 56/2013
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