Immer wieder gibt es vor Gericht Ärger um die Frage, ob die Kosten für ein Privatgutachten erstattungsfähig sind. Rechtsanwalt Dr. Thomas A. Degen von der Rechtsanwaltskammer Stuttgart fasst die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zusammen.  

Die Beurteilung der Erstattungsfähigkeit der Kosten für die Einholung eines Privatgutachtens hat sich daran auszurichten, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die Kosten auslösende Maßnahme zum Zeitpunkt der Auftragserteilung als sachdienlich ansehen durfte. Ob das Gutachten die Entscheidung des Gerichts beeinflusst hat oder nicht, ist gleichgültig, erläutert Rechtsanwalt Dr. Thomas A. Degen.

In dem konkreten Fall ging es um einen Verkehrsunfall mit einem Schaden in Höhe von insgesamt nur 1.245,31 Euro. Dagegen kostete das von den Beklagten in Auftrag gegebene Privatgutachten nebst Ergänzung insgesamt 3.932,60 Euro. Über diese Kosten stritten die Parteien durch die Instanzen bis vor den Bundesgerichtshof.  Der Sachverständige sollte klären, ob die Beschädigungen am Fahrzeug des Klägers denjenigen am Fahrzeug des Beklagten entsprachen oder, wie letzterer behauptete, allein aus der Kollision mit einer Straßenlaterne resultierte. Als der Gerichtssachverständige die Version des Beklagten verneinte, bestellte dieser einen privaten Sachverständigen, der den Gerichtssachverständigen widerlegte. Das Landgericht glaubte der Version des Gerichtssachverständigen und verurteilte den Beklagten. Erst in der Berufungsinstanz gewann der Beklagte, nachdem er noch einmal ein Ergänzungsgutachten in Auftrag gab. Bei der Erstattung der Kosten wollte der Rechtspfleger dem Beklagten von den fast 4.000 Euro Sachverständigenkosten nur rund 1.000 Euro erstatten, weil diese Kosten außer Verhältnis zu dem niedrigen Streitwert gestanden habe.

Nach § 91 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) hat die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Dazu können nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes auch die Kosten für die Einholung eines Privatsachverständigengutachtens gehören, wenn sie unmittelbar prozessbezogen sind. Dies ist vorliegend der Fall, denn das Privatgutachten und seine Ergänzung sind von den Beklagten mit Rücksicht auf den laufenden Prozess in Auftrag gegeben worden.

Ob für die Erstattungsfähigkeit der Kosten für die Einholung eines im Verlaufe eines Prozesses eingeholten Privatsachverständigengutachtens darüber hinaus zu verlangen ist, dass das im Rechtsstreit vorgelegte Gutachten den Verlauf des Rechtsstreits zugunsten der das Privatgutachten vorlegenden Partei beeinflusst hat, ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten. "Der Bundesgerichtshof verneint das. Entscheidend sei allein, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die Kosten auslösende Maßnahme aus damaliger Sicht als sachdienlich ansehen durfte", erklärt Rechtsanwalt Dr. Thomas A. Degen die Entscheidung.

Das sei letztlich eine Frage der Gesamtabwägung. So habe der Bundesgerichtshof die Frage, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die Kosten auslösende Maßnahme als sachdienlich ansehen durfte, insbesondere in Fällen bejaht, in denen die Partei infolge fehlender Sachkenntnisse ohne die Einholung des Privatgutachtens nicht zu einem sachgerechten Vortrag in der Lage war. Hierzu gehören nach Ansicht des Gerichts auch Fälle, in denen die Partei ohne Einholung eines Privatgutachtens ein ihr nachteiliges Gerichtssachverständigengutachten nicht zu erschüttern vermag. Daneben können bei der Beurteilung der Erstattungsfähigkeit der Kosten des Privatgutachtens weitere Gesichtspunkte eine Rolle spielen wie etwa dessen voraussichtliche Eignung zur Rechtsverfolgung oder -verteidigung und deren Erfolgsaussichten. "Letztlich dürfen im Rahmen der erforderlichen Gesamtbetrachtung auch die Kosten des Privatgutachtens nicht außer Betracht bleiben, wenn auch die Partei grundsätzlich die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte ergreifen darf", gibt Rechtsanwalt Dr. Thomas A. Degen zu bedenken. Das hat der Bundesgerichtshof im hier entschiedenen Fall bejaht, diesen aber gleichwohl an die Ausgangsinstanz zurückverwiesen, damit diese die zu erstattenden Sachverständigenkosten im Rahmen einer neuen Gesamtabwägung unter Zugrundelegung der Rechtsgrundsätze der Karlsruher Richter neu festsetzt.  

Gericht:
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.12.2011 - VI ZB 17/11

Ein Beitrag der Rechtsanwaltskammer Stuttgart
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