Das Amtsgericht Neuruppin hat sich in diesem Verfahren umfassend damit auseinandergesetzt, ob die Beleidigung des Mieters gegenüber der Mitmieterin als "Fotze" (auch ohne vorherige Abmahnung) eine fristlose Kündigung rechtfertigt.

Der Sachverhalt

Die Kanzlei Huber aus Berlin berichtet über einen Vorfall in einem Berliner Mietobjekt mit mehreren Mietwohnungen. Im Erdgeschoss befindet sich ein kleines Unternehmen, deren Mitarbeiterin sich in dieser Funktion regelmäßig im Haus aufhält. Der Mieter betitelte die Mitarbeiterin als "Fotze", als diese ihn aufforderte, den Urin zu beseitigen, den seine Hunde im Hausflur hinterlassen hatten.

Unter anderem wegen dieses Vorfalls sprachen die Vermieter gegenüber dem Mieter die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses aus.

Der Mieter war der Auffassung, dass die Kündigung nicht gerechtfertigt sei. Es sei zwar zutreffend, dass seine noch nicht stubenreinen Hundewelpen in den Hausflur uriniert hätten. Obwohl er bereits im Begriff gewesen sei, den Hundeurin zu beseitigen, habe ihn die Frau jedoch barsch und unfreundlich sowie vorwurfsvoll hierzu aufgefordert.

Die Entscheidung

Das Amtsgericht Neuruppin (Urteil, Az. 43 C 61/18) hat entschieden, dass die fristlose Kündigung rechtmäßig ist. Der Mieter ist zur Räumung und Herausgabe der Wohnung verpflichtet.

Durch sein Verhalten habe der Mieter den Hausfrieden derart nachhaltig gestört, dass unter Berücksichtigung aller Einzelfallumstände sowie unter Abwägung der beiderseitigen Interessen, den Vermietern die Fortsetzung des Mietverhäitnisses nicht zumutbar ist, §§ 543 Abs. 1, 569 Abs. 2 BGB.

Nachhaltige Störung des Hausfriedens

Solche schweren Beleidigungen stellen Straftaten und eine nachhaltige Störung des Hausfriedens dar, auch wenn sie nicht gegenüber dem Vermieter, sondern anderen Hausbewohnern ausgesprochen werden.

Die Mitarbeiterin der Mieterin der Erdgeschossräume hält sich regelmäßig im Haus auf und ist damit Teil der Hausgemeinschaft und unterliegt ebenfalls dem Schutzbereich des zu wahrenden Hausfriedens. Derart schwerwiegende Beleidigungen können auch schon bei einmaliger Begehung eine fristlose Kündigung rechtfertigen.

Eine andere Bewertung kommt nur dann in Betracht, wenn sich die Pflichtverletzung als weniger schwerwiegend darstellt, weil sie aus einer Provokation heraus oder im Zusammenhang mit einer bereits vorausgegangenen streitigen Atmosphäre erfolgt ist oder als momentane und vereinzelt gebliebene Unbesonnenheit zu bewerten ist.

Bei wechselseitigen Beleidigungen kann eine Kündigung ausscheiden

Bei wechselseitigen Beleidigungen kann eine Kündigung ausscheiden, ebenso wenn der Beleidigende durch sein Gegenüber durch einen abfälligen Gesprächston oder Unhöflichkeiten provoziert worden ist. Dabei ist auch das soziale Milieu bzw. die soziale Herkunft des Beleidigers zu berücksichtigen und ob der Betroffene die Beleidigung ernst nimmt.

Hier wendet der beklagte Mieter lediglich ein, die Mitarbeiterin habe ihn barsch und unfreundlich sowie vorwurfsvoll aufgefordert, den Urin seiner Hundewelpen im Hausflur zu beseitigen. Dies allein rechtfertigt aber keine schwere Beleidigung mit Wörtern der vorliegenden Art.

Insbesondere hat der Mieter nicht im Einzelnen dargetan, dass er seinerseits durch die Mitarbeiterin zuvor beleidigt worden ist oder dass diese ihn in sonst unangemessener herabwürdigender Weise angesprochen hätte. Es ist deshalb nicht ersichtlich, dass sich der Mieter in nachvollziehbarer Weise veranlasst gesehen haben könnte, die Mitarbeiterin in derart schwerer Weise zu beleidigen, zumal die von dem Mieter als Mann ausgebrachte Äußerung offenbar auch darauf abzielte, die Mitarbeiterin in ihrer Eigenschaft als Frau herabzuwürdigen.

Momentaner Kontrollverlust

Zwar kann dem Beleidiger zu Gute kommen, wenn es sich lediglich um einen momentanen Kontrollverlust handelt. Selbst dies entschuldigt aber keinen derart schweren Angriff auf das Ehr- und Selbstwertgefühl eines Anderen, insbesondere wenn - wie hier - dem zugrundeliegenden Anlass, nämlich ein etwaig barsches, unfreundliches und vorwurfsvolles Auftreten der Mitarbeiterin lediglich das Gewicht einer Lappalie zukommt.

Dabei ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass beide im selben Haus wohnen bzw. arbeiten und sich dort immer wieder begegnen können. Dies setzt ein gewisses Vertrauensverhältnis als Mindestbasis für ihren Umgang voraus. Bei ohne adäquaten Anlass ausgebrachten schweren Beleidigungen, die geeignet sind, das Ehr- und Selbstwertgefühl des Anderen in besonderer Weise herabzusetzen, ist auch ein dafür erforderliches Mindestvertrauensverhältnis nicht mehr gegeben.

Kündigung ohne Abmahnung

Zwar ist der hierauf gestützten Kündigung entgegen der Grundregel des § 543 Abs. 3 BGB keine Abmahnung vorausgegangen. Bei schwerwiegenden Beleidigungen kann aber bereits ein einmaliger Vorfall auch ohne Abmahnung zur Kündigung berechtigen, wenn bereits die einmalige Beleidigung in ihrer konkreten Form ein solches Gewicht hat, dass sie das erforderliche Vertrauen zerstört. Denn zerstörtes Vertrauen kann durch eine Abmahnung nicht wieder hergestellt werden.

Dies ist auch hier der Fall, da - wie bereits vorstehend ausgeführt - die Art der Beleidigung zeigt, dass der beklagte Mieter die Grundvoraussetzung für ein gedeihliches Miteinander nicht beachtet, nämlich den Respekt vor der Person und der Würde des Anderen, der auch bei Interessenskonflikten und verbalen Auseinandersetzungen zu wahren ist.

Gericht:
Amtsgericht Neuruppin, Urteil vom 16.04.2019 - 43 C 61/18

Quelle: Rechtsanwalt Nils Huber, Berlin
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