Ein Vermieter kündigte das Mietverhältnis, weil Mieter und Mieterin die Wohnung zum Dreh von pornografischen Videoclips nutzte. Die Wohnung werde nicht nur zu Wohnzwecken genutzt, so der Vermieter. Es gab Filmszenen auf dem Balkon sowie im Treppenhaus, wo die Mieterin auf die Fliesen urinierte.

Der Sachverhalt

Die Beklagten sind Mieter einer Wohnung des Klägers (Vermieter). Lt. Mietvertrag sollte die Nutzung "zur ausschließlichen Nutzung als Wohnraum" erfolgen. Wahrheitswidrig gaben die Mieter an, verheiratet zu sein.

Wie von Anfang an geplant nutzten die Mieter die angemietete Wohnung zum Dreh von pornografischen Videoclips, die von ihnen aus der Wohnung heraus im Internet vermarktet werden. Ein paar Szenen wurden auf dem Balkon gedreht. Eine Szene weitere Szene wurde gedreht, bei welcher die Mieterin in das Treppenhaus urinierte. Zuvor hatten sie sich versichert, dass keine weiteren Personen im Treppenhaus anwesend waren, dieses wurde im Anschluss gereinigt.

Vermieter kündigt Mietverhältnis

Der Vermieter hat das Mietverhältnis fristlos, hilfsweise fristgerecht, gekündigt. Die Kündigung wurde darauf gestützt, dass die Wohnung nicht nur zu Wohnzwecken genutzt würde. Durch den Erbbauvertrag mit der katholischen Kirche sei er, der Vermieter, daran gebunden, dass das Gebäude nicht zu Handlungen genutzt werden dürfe, die nachhaltig gegen die katholische Sittenlehre verstoßen. Auch die sexuellen Aktivitäten seien deutlich zu vernehmen, die bereits durch Nachbarn der Polizei gemeldet wurden, weil diese dachten, es läge häusliche Gewalt vor. Eine Fortsetzung des Mietverhältnisses sei unzumutbar.

Die Entscheidung des Amtsgerichts Lüdingshausen

Das Amtsgericht Lüdingshausen hat entschieden (Urteil, Az. 4 C 76/18), dass die Mieter nicht zur Räumung des Objekts verpflichtet sind. Der zwischen den Beteiligten geschlossene Mietvertrag ist weder aufgrund wirksamer Anfechtung als von Anfang an unwirksam anzusehen (§§ 142, 123 BGB) noch aufgrund einer durchgreifenden fristlosen oder ordentlichen Kündigung erloschen (§§ 543, 569, bzw. 573 BGB).

Zwar haben die Mieter unrichtige Angaben über ihren Familienstand gemacht und den Vermieter insoweit arglistig getäuscht. Die Täuschung ist jedoch nicht rechtswidrig, weil schon die Frage nach dem Familienstand unzulässig und die Mieter daher nicht zu einer wahrheitsgemäßen Antwort verpflichtet waren. Auch die erklärte fristlose (§§ 543, 569 BGB) bzw. ordentliche Kündigung (§ 573 BGB) greift nicht durch, weil jedenfalls kein so relevanter Vertragsverstoß vorliegt, der eine Kündigung ohne vorhergehende Abmahnung rechtfertigen würde.

Aus der Begründung

Im Grundsatz stellt die Herstellung von pornografischen Videoclips und deren Vermarktung aus der Wohnung heraus noch keine Nutzung dar, die über den Wohngebrauch hinausgeht. Insoweit ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass auch eine geschäftliche Aktivität des Mieters in der Wohnung, die nach außen nicht in Erscheinung tritt, in Räumen erlaubt ist, die "ausschließlich zu Wohnzwecken" vermietet werden.

Unter Anwendung dieser Grundsätze stellen die Dreharbeiten zu und die Vermarktung von pornografischen Clips in der Wohnung und auf dem Balkon noch Wohngebrauch dar. Denn weder war die Herstellung der Bilder war von außen wahrnehmbar noch hat die Vermarktung im Internet Auswirkungen auf die Verwertbarkeit des Objekts, etwa dadurch, dass dieses auf den Bildern erkennbar gewesen wäre und so "in Verruf" kommen könnte.

Die Balkonszene

Auf dem vorliegenden Bild, auf welchem die Mieterin auf dem Balkon über ein Schleckeis uriniert bzw. sich mit diesem selbst befriedigt, ist erkennbar, dass der Dreh in einer Ecke zwischen einem Blumenkübel und der undurchsichtigen Balkonumrandung stattgefunden hat, wodurch die Szene von außen nicht einsehbar gewesen sein dürfte. Jedenfalls hat der Vermieter nichts Anderes substantiiert behauptet.

Die Treppenhausszene

Über den Wohngebrauch hinaus ging allerdings die Aufnahme im Treppenhaus, bei welcher die Mieterin unstreitig in das gemeinschaftlich genutzte Treppenhaus urinierte. Dieser Dreh trat nach außen in Erscheinung und wäre für Besucher im Haus sichtbar gewesen. Bereits die absichtliche Verschmutzung des Treppenhauses mit Urin stellt im Übrigen unabhängig von der Vermietung zu Wohnzwecken eine – durchaus gravierende – Verletzung von Pflichten aus dem Mietvertrag dar.

Nach Überzeugung des Gerichts ist noch nicht ein Ausmaß erreicht, welches es rechtfertigen würde, das Mietverhältnis ohne Abmahnung zu kündigen. Zwar sollte sich jedem normalen Mieter aufdrängen, dass man nicht in fremde Treppenhäuser uriniert, andererseits haben die Beklagten sich unstreitig bemüht, das Entdeckungsrisiko zu minimieren und die Sauerei unverzüglich wieder entfernt.

Die Sittenfrage

Schließlich ist für die Frage irrelevant, wie die Klägerin die Aktivitäten der Beklagten in ihrem eigenen Sittensystem bewertet, da dieses nicht Gegenstand des Mietvertrages ist. Auch Verpflichtungen der Klägerin gegenüber dem (kirchlichen) Erbbaurechtgeber sind nicht Gegenstand des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags geworden und im Innenverhältnis zu den Beklagten daher irrelevant. Für die Kündigungsmöglichkeiten der Klägerin bleiben sie daher ebenfalls ohne Bedeutung.

Gericht:
Amtsgericht Lüdingshausen, Urteil vom 11.10.2018 - 4 C 76/18

AG Lüdingshausen
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