Kann ein Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) durch einen Mitbewerber abgemahnt werden? Mit der strittigen Frage, ob die Vorschriften der DSGVO abschließend Sanktionen regeln, hat sich das LG Stuttgart befasst.

Der Sachverhalt

Der Kläger ist ein Interessenverband, der Beklagte vertreibt Autoteile über eBay. Der Kläger macht gegen den Beklagten einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch wegen eines behaupteten Verstoßes gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) geltend.

Der Beklagte habe die Nutzer nicht über Art, Umfang und Zweck der Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten unterrichtet.

Die Entscheidung

Die Klage ist vor dem Landgericht Stuttgart (Urteil, Az. 35 O 68/18 Kfh) ohne Erfolg geblieben.

Einem Anspruch aus § 8 Abs. 1 UWG i.V.m. §§ 3, 3a UWG steht entgegen, dass die DSGVO die Sanktionen der Verstöße abschließend regelt und der Kläger danach nicht berechtigt ist, Unterlassungsansprüche geltend zu machen. 

Begründung 

Die Frage, ob die DSGVO eine abschließende Regelung der Sanktionen enthält, ist streitig und höchstrichterlich noch nicht geklärt (dafür insbesondere LG Magdeburg v. 18.01.2019 - 36 0 48/18; LG Wiesbaden v. 05.11.2018 - 5 0 214/18; dagegen insbesondere OLG Hamburg v. 25.10.2018 - 3 U 66/17, ohne dass es allerdings auf die Frage ankam).

Nach Auffassung des Landgerichts Stuttgart enthält die DSGVO eine detaillierte Regelung der Sanktionen. Nach Art. 57 VO (EU) 2016/679 ist die Durchsetzung Aufgabe der Aufsichtsbehörden. Hinzukommen in den Art. 77 ff. VO (EU) 2016/679 Regelungen über Rechtsbehelfe.

Nach Art. 79 VO (EU) 2016/679 hat jede betroffene Person, also die Person, in deren Datenschutzrechte vermeintlich eingegriffen wurde, das Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf. Die Vertretung der Betroffenen ist in Art. 80 VO (EU) 2016/679 geregelt. Nach dem Absatz 1 kann die betroffene Person bestimmte Einrichtungen mit der Durchsetzung ihrer Rechte beauftragen.

Darüber hinaus können die Mitgliedsstaaten nach dem Absatz 2 vorsehen, dass bestimmte Einrichtungen die Rechte auch ohne einen Auftrag im Sinne von Absatz 1 durchsetzen. Hierdurch kommt zum Ausdruck, dass der europäische Gesetzgeber eine eigenmächtige Verfolgung von Verstößen durch Dritte nur zulassen will, wenn die in der Norm genannten Voraussetzungen erfüllt sind und der nationale Gesetzgeber dies geregelt hat.

Mit Blick auf diese konkrete Regelung kann man auch nicht annehmen, dass die Klagebefugnis Dritter aus den Bestimmungen des Art. 82 bzw. Art. 84 VO (EU) 2016/679 folgt. Wenn der europäische Gesetzgeber mit den Vorschriften eine weitergehende Klagebefugnis Dritter hätte regeln wollen, dann hätte es der Regelung in Art. 80 Abs. 2 VO (EU) 2016/679 nicht bedurft.

Keine Abmahnung

Wenn aber in der Datenschutzgrundverordnung eine abschließende Regelung erfolgt ist, so kann man eine Durchsetzung über das UWG auch nicht mit einer anderen Zielrichtung des Wettbewerbsrechts begründen (BGH v. 07.02.2006 - KZR 33/04 - Probeabonnement; so aber OLG Hamburg v. 25.10.2018 - 3 U 66/17).

Dies gilt umso mehr, als die DSGVO gar keine wettbewerbsschützende Zielrichtung hat. Zwar dient sie nach Art. 1 Abs. 1 VO (EU) 2016/679 dem Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten. Der Schutz erfolgt aber nicht aufgrund der Eigenschaft als Verbraucher sondern unabhängig davon.

Dafür, dass es dem Willen des Gesetzgebers entspricht, die Bestimmung des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG als Umsetzung der Datenschutzgrundverordnung anzusehen, gibt es keine Anhaltspunkte.

Gericht:
Landgericht Stuttgart, Urteil vom 20.05.2019 - 35 O 68/18 Kfh

LG Stuttgart
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