Portokosten - Ein Versandhändler darf einen Verbraucher nicht mit den Versandkosten für die Hinsendung der Ware an den Verbraucher belasten, wenn dieser von seinem Widerrufs- oder Rückgaberecht Gebrauch macht.

Der Sachverhalt

Ein Versandhandelsunternehmen stellt ihren Kunden für die Zusendung der Ware einen Versandkostenanteil von pauschal 4,95 € pro Bestellung in Rechnung. Die klagende Verbraucherzentrale NRW nimmt das Versandhandelsunternehmen auf Unterlassung der Erhebung solcher Kosten nach Ausübung des Widerrufs- oder Rückgaberechts bei Fernabsatzgeschäften in Anspruch.

Für die Verbraucherzentrale NRW ist dies ein unzulässiges Geschäftsgebaren. Nach der europäischen Fernabsatzrichtlinie dürfen Verbrauchern dabei allein die Kosten für die Rücksendung auferlegt werden – und das auch nur unter bestimmten Bedingungen. Die Pauschale für den Versand jedoch gehört weder zu den unmittelbaren Kosten der Rücksendung noch lässt sie sich vom eigentlichen Kauf trennen. Von daher kann der Versandhändler auch nicht argumentieren, dass er Wertersatz für die von ihm geleisteten Versandkosten bekomme. Allein die unmittelbaren Kosten für die Rücksendung der Ware hat der Verbraucher zu tragen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die dagegen gerichtete Berufung zurückgewiesen.

Die Entscheidung

Die Revision des Versandhandelsunternehmens hatte keinen Erfolg. Der Bundesgerichtshof hatte das Revisionsverfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob die Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (Fernabsatz-Richtlinie) dahin auszulegen ist, dass sie einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der die Kosten der Zusendung der Waren auch dann dem Verbraucher auferlegt werden können, wenn er den Vertrag widerrufen hat. Dies hat der EuGH bejaht und zur Begründung ausgeführt, dass mit Artikel 6 der Fernabsatz-Richtlinie eindeutig das Ziel verfolgt wird, den Verbraucher nicht von der Ausübung seines Widerrufsrechts abzuhalten. Deshalb liefe eine Auslegung, nach der es den Mitgliedstaaten der Europäischen Union erlaubt wäre, eine Regelung vorzusehen, die dem Verbraucher im Fall eines solchen Widerrufs die Kosten der Zusendung in Rechnung stellt, diesem Ziel zuwider (EuGH, Urteil vom 15. April 2010 - Rs. C-511/08, NJW 2010, 1941).

Aufgrund dieser für die nationalen Gerichte bindenden Auslegung der Fernabsatz-Richtlinie durch den EuGH ist § 346 Abs. 1 BGB in Verbindung mit §§ 312d, 357 BGB richtlinienkonform dahin auszulegen, dass dem Verbraucher nach dem Widerruf eines Fernabsatzvertrages ein Anspruch auf Rückgewähr geleisteter Hinsendekosten zusteht. Dementsprechend ist es Verkäufern von Waren im Fernabsatzgeschäft - wie der Beklagten im entschiedenen Fall - verwehrt, Verbrauchern die Kosten für die Hinsendung der von ihr vertriebenen Waren auch dann aufzuerlegen, wenn diese von ihrem Widerrufs- oder Rückgaberecht Gebrauch machen.

Vorinstanzen:
LG Karlsruhe - Urteil vom 19. Dezember 2005 - 10 O 794/05 (MMR 2006, 245)
OLG Karlsruhe - Urteil vom 5. September 2007 - 15 U 226/06 (WM 2008, 419 = MMR 2008, 46)

Gericht:
BGH, Urteil vom 7. Juli 2010 - VIII ZR 268/07

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