Patchworkfamilien sind keine Seltenheit. So leben mittlerweile viele minderjährige Kinder mit nur einem Elternteil und dessen neuen Lebensgefährten/neuer Lebensgefährtin unter einem Dach. Aus diesen Beziehungen gehen häufig erneut Kinder hervor - was unterhaltsrechtlich aber oftmals für Streitigkeiten sorgen kann.

Kann ein Unterhaltspflichtiger wegen der Betreuung eines Neugeborenen nämlich keiner Beschäftigung mehr nachgehen und daher auch keinen Unterhalt mehr an ein von ihm getrennt lebendes Kind zahlen, ist Streit vorprogrammiert. Es stellt sich dann die Frage, ob die Unterhaltspflicht mangels Leistungsfähigkeit entfällt oder ob sich der Unterhaltspflichtige ein fiktives Einkommen zurechnen lassen muss.

Leistungsunfähigkeit wegen Elternzeit?

Nach der Trennung eines Paares lebte dessen gemeinsamer Sohn bei seinem Vater. Die berufstätige und barunterhaltspflichtige Mutter zog mit ihrem neuen Partner zusammen und bekam eine Tochter. Aus diesem Grund nahm sie zwei Jahre Elternzeit, erhielt für dieselbe Zeit Elterngeld und kümmerte sich nur noch um den Haushalt und ihr Neugeborenes.

Da sie sich aufgrund des nunmehr geringen Einkommens für nicht mehr leistungsfähig hielt, wollte sie ihrem Sohn keinen Unterhalt mehr zahlen. Der jedoch war der Ansicht, dass seine Mutter zumindest einer Nebentätigkeit nachgehen muss - schließlich könne sein Unterhaltsanspruch wegen der Geburt eines weiteren Kindes nicht einfach entfallen. Seine Mutter erwiderte, dass es wenig Sinn gemacht hätte, wenn der Vater ihrer Tochter Elternzeit genommen hätte - erstens verdiene er im Außendienst mehr Geld und zweitens sei er aufgrund gesundheitlicher Beschwerden zu der alleinigen Betreuung eines Babys nicht in der Lage. Ihr dagegen sei es als Angestellte im Innendienst mit einem Festgehalt leichter gefallen, in Elternzeit zu gehen. Der Streit der Parteien endete vor Gericht.

Keine Zahlungspflicht der Mutter

Der Bundesgerichtshof (BGH) kam zu dem Ergebnis, dass die Mutter nach der Geburt ihrer Tochter nicht mehr leistungsfähig ist und lehnte eine Unterhaltspflicht gegenüber dem Sohn ab.

Zwar stand der Mutter nicht nur das Elterngeld zu, sondern auch ein Unterhaltsanspruch gegen ihren Lebensgefährten nach § 1615l Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) aufgrund der Kindsgeburt. Dennoch reichte das Einkommen nicht aus, um zumindest den Mindestunterhalt an den Sohn zu zahlen.

Grundsätzlich trifft den unterhaltspflichtigen Elternteil eines minderjährigen Kindes eine gesteigerte Erwerbspflicht, d. h. er muss alles ihm Mögliche tun, um zumindest den Mindestunterhalt leisten zu können, vgl. § 1603 II BGB. Hiervon gibt es allerdings Ausnahmen. Fällt das Einkommen des Unterhaltspflichtigen etwa wegen Kinderbetreuung (geringer) aus, muss das unterhaltsberechtigte Kind dies hinnehmen, sofern die geänderte Lebensführung des Vaters / der Mutter gerechtfertigt ist. Das wäre unter anderem der Fall, wenn der Lebensgefährte deutlich mehr verdient, als der Unterhaltspflichtige.

Der Rollenwechsel einer berufstätigen Frau zu einer Mutter, die zu Hause bleibt und das Kind betreut, war vorliegend jedoch gerechtfertigt. Da ihr Lebensgefährte im Außendienst deutlich mehr Geld verdiente als sie, wäre es wirtschaftlich nicht sinnvoll gewesen, wenn er in Elternzeit gegangen wäre. Auch war er aus gesundheitlichen Gründen nicht zur alleinigen Kindsbetreuung in der Lage. Dagegen konnte die Mutter als Angestellte im Innendienst problemlos Elternzeit nehmen.

Keine Nebentätigkeit während der Elternzeit

Die Unterhaltspflicht entfällt allerdings nicht automatisch mit der Geburt eines weiteren Kindes - und zwar auch dann, wenn der Rollentausch nicht zu beanstanden ist. Daher können frischgebackene Eltern, die sich der Betreuung des Neugeborenen widmen, aufgrund der gesteigerten Erwerbspflicht gegenüber dem älteren Kind dennoch zu einer Nebentätigkeit verpflichtet sein. Das gilt aber nicht, wenn sich die unterhaltspflichtige Person in Elternzeit befindet. In dieser Zeit soll Eltern schließlich ermöglicht werden, sich um ihr Kind zu kümmern und an ihre neuen Lebensumstände zu gewöhnen. Außerdem benötigt ein kleines Kind mindestens bis zum Alter von zwei Jahren ständige Betreuung und Aufsicht. Müsste ein Unterhaltspflichtiger dennoch arbeiten gehen, würde der Sinn und Zweck der Elternzeit leerlaufen.

Vorliegend musste die Mutter in den ersten zwei Jahren nach der Geburt ihrer Tochter somit keine Nebentätigkeit aufnehmen. Im Übrigen würde das daraus erhaltene Einkommen ohnehin den notwendigen Selbstbehalt nach § 1603 I BGB nicht überschreiten - die Mutter wäre trotzdem leistungsunfähig. Sie musste daher - zumindest für zwei Jahre nach der Geburt ihres zweiten Kindes - keinen Unterhalt an den Sohn zahlen.

Gericht:
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.02.2015 - XII ZB 181/14

Sandra Voigt
Assessorin
Redakteurin - Juristische Redaktion
Ein Beitrag von anwalt.de

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