Da minderjährige Kinder noch nicht in der Lage sind, ihren eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten, trifft Eltern eine sog. gesteigerte Unterhaltspflicht. Sie müssen daher alles ihnen Mögliche tun, um zumindest den Mindestunterhalt leisten zu können.

Gesteigerte Unterhaltspflicht - was ist das?

Unter bestimmten Voraussetzungen gilt die gesteigerte Unterhaltspflicht auch für volljährige Kinder, sofern sich die noch in der allgemeinen Schulausbildung befinden. Dabei stellt sich jedoch die Frage, ob berufsvorbereitende Maßnahmen noch unter die allgemeine Schulausbildung fallen.

Sofern Kinder noch die Schule besuchen, ist es ihnen nicht möglich, Geld zu verdienen, um sich selbst zu versorgen. Sind die Sprösslinge noch klein, dürfen sie in der Regel ohnehin nicht arbeiten, aber auch ältere bzw. volljährige Kinder sollen sich eher auf das Lernen konzentrieren, anstatt in der Freizeit zu arbeiten. Daher müssen die Kindseltern finanziell voll für deren Bedürfnisse aufkommen und nach § 1603 II BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) alle verfügbaren Mittel heranziehen, um den nötigen Unterhalt aufzubringen; sog. gesteigerte Unterhaltspflicht.

Arbeitslose beispielsweise müssen sich besonders intensiv um eine Arbeit bemühen, Beschäftigte müssen notfalls etwa eine Nebenbeschäftigung aufnehmen oder Überstunden leisten. Auch müssen sie eventuell auf ihren eigenen Wunsch nach einem Zweitstudium oder einem Berufswechsel vorerst verzichten.

Eine gesteigerte Unterhaltspflicht bei einem volljährigen privilegierten Kind wird aber nur angenommen, wenn es unverheiratet ist, das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, mit wenigstens einem Elternteil im selben Haushalt zusammenlebt und tatsächlich noch "die Schulbank drückt". Es muss hierbei um den Erwerb eines regulären Schulabschlusses gehen, z. B. um mittlere Reife oder Abitur. Die Berufsausbildung gehört dagegen nicht mehr zur allgemeinen Schulbildung.

Eine wichtige Rolle spielt die gesteigerte Unterhaltspflicht auch beim sog. Selbstbehalt, also dem Betrag, den der Unterhaltspflichtige zum Bestreiten seines eigenen Lebensunterhalts benötigt und daher von seinem Einkommen behalten darf. Der Selbstbehalt beträgt laut der Düsseldorfer Tabelle 2015 gegenüber minderjährigen und volljährigen privilegierten Kindern bei Beschäftigten 1080 Euro, bei Nicht-Erwerbstätigen 880 Euro im Monat. Wäre das volljährige Kind nicht privilegiert, würde der höhere Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen demgegenüber mindestens 1300 Euro pro Monat betragen.

Tochter will Berufsschule besuchen

Eine Zwanzigjährige hatte vor Jahren die Hauptschule ohne Abschluss verlassen. Um Altenpflegerin werden zu können, wollte sie nun eine Berufsschule besuchen und einen Schulabschluss nachholen. Um davor ihre Lese-, Rechtschreib- und Lernkompetenzen zu verbessern, absolvierte sie eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme und erhielt in dieser Zeit eine Ausbildungshilfe. Da ihr Vater, bei dem sie lebt, erwerbsunfähig ist und Hartz IV erhält, verlangte sie von ihrer Mutter Volljährigenunterhalt. Sie war der Ansicht, sich in einer allgemeinen Schulausbildung zu befinden, und hielt ihre Mutter daher für gesteigert erwerbspflichtig. Ihre Mutter bestritt dies. Da ihr Kind demnach nicht privilegiert sei, gelte für sie der höhere Selbstbehalt, den sie mit ihrem Einkommen nicht überschreite. Sie sei also leistungsunfähig. Der Streit zwischen Mutter und Tochter endete vor Gericht.

Mutter muss keinen Unterhalt zahlen

Das OLG verneinte einen Anspruch der Tochter auf Unterhaltszahlungen.

Zunächst einmal diente der betreffende Kurs der beruflichen Integration. Während der berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme sollte es der jungen Frau ermöglicht werden, sich für den "richtigen" Beruf zu entscheiden, indem sie ihre "Fähigkeiten, Fertigkeiten und Interessen" in dem Kurs überprüft, bewertet und eventuell erweitert. Ferner wurden den Teilnehmern der berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme berufliche Grundlagen vermittelt. Die Bildungsmaßnahme diente somit eindeutig der Berufsvorbereitung sowie der beruflichen Orientierung der Tochter. Sie befand sich daher gerade nicht in einer allgemeinen Schulausbildung, die primär einen regulären Schulabschluss, wie etwa die mittlere Reife, bezweckt.

Damit traf die Mutter keine gesteigerte Unterhaltspflicht, sodass für sie der höhere Selbstbehalt gegenüber nicht privilegierten volljährigen Kindern galt, den sie mit ihrem Einkommen nicht überschritt. Mangels Leistungsfähigkeit schuldete sie deshalb keinen Unterhalt.

Gericht:
Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 03.12.2014 - 2 WF 144/14

Ein Beitrag von anwalt.de
Autorin: Sandra Voigt

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