Eineiigen Zwillingen ist im Rahmen eines Abstammungsverfahrens die Abgabe einer Spermaprobe oder die Einbeziehung ihres codierenden DNA-Bestandteil in die Abstammungsuntersuchung unzumutbar, so das Urteil des OLG Celle.

Wer ist der Vater? Der 14-jährige Kläger möchte wissen, wer sein Vater ist. Allerdings hatten die Zwillingsbrüder beide im gleichen Zeitraum Geschlechtsverkehr mit der Mutter. Ein Fall, mit dem Justiz und Medizin an ihre Grenzen stoßen. Denn nach den bisherigen anerkannten Grundsätzen der Wissenschaft verspricht deren Untersuchung keine Aufklärung des Sachverhaltes.

Haben eineiige Zwillinge in der gesetzlichen Empfängniszeit mit der Kindesmutter verkehrt, lässt sich nach dem heutigen Stand der Wissenschaft die Vaterschaft nicht durch ein genetisches Abstammungsgutachten, klären.

Der Sachverhalt

Der für Familiensachen zuständige 15. Zivilsenat hatte über eine Vaterschaftsfeststellung zu entscheiden, bei der sowohl der Beklagte als auch dessen Zwillingsbruder in der gesetzlichen Empfängniszeit Geschlechtsverkehr mit der Kindesmutter hatten.

Hatte das Amtsgericht der Klage in erster Instanz noch stattgegeben, so entschied das Oberlandesgericht auf die Berufung des Beklagten nunmehr, dass sich weder durch die Zeugenaussagen, noch durch Abstammungsuntersuchungen mit dem für die gerichtliche Feststellung der Vaterschaft erforderlichen Wahrscheinlichkeitsgrad die Abstammung des Klägers aufklären lasse.

Zwillingsbrüder hatten beide im gleichen Zeitraum Geschlechtsverkehr

Zum einem lasse sich die Vaterschaft des Beklagten nicht mit der gesetzlichen Vaterschaftsvermutung begründen, wonach derjenige als Vater vermutet wird, der der Kindesmutter während der Empfängniszeit beiwohnte (§ 1600 d Abs. 2 S. 1 BGB). Diese gesetzliche Vermutung sei durch schwerwiegende Zweifel entkräftet. Denn aufgrund der Zeugenaussagen, habe das Gericht die Überzeugung gewonnen, dass die Kindesmutter während der gesetzlichen Empfängniszeit sowohl mit dem Beklagten als auch mit dessen Zwillingsbruder verkehrte.

Kein erprobtes Verfahren zur Feststellung der Vaterschaft bei eineiigen Zwillingen

Zum anderen konnte anhand der fünf Sachverständigengutachten festgestellt werden, dass beim jetzigen Stand der Wissenschaft kein erprobtes Verfahren zur Feststellung der Vaterschaft bei eineiigen Zwillingen existiert. Lediglich rein in der Theorie diskutierte Vorgehen und nicht erprobte Verfahren könnten versuchen die genetischen Anlagen des Klägers einem der genetisch als identisch anzusehenden Zwillinge zuzuordnen. Die Erfolgsaussichten dieser nicht erprobten Verfahren seien von den Gutachtern insgesamt als gering eingeschätzt worden.

Abgabe einer Spermaprobe darf verweigert werden

Aus diesen Gründen habe der Beklagte sowie sein Zwillingsbruder die Abgabe der Spermaprobe verweigern können. Ein darin liegender Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sei ihnen unzumutbar. Im Gegensatz zum "reinen" genetischen Fingerabdruck, lassen sich durch die codierten Bestandteile der DNA erhebliche Rückschlüsse auf charakter- oder krankheitsbezogene Persönlichkeitsmerkmale ziehen. Dies hätten der Beklagte und dessen Zwillingsbruder auch nicht mit Rücksicht auf das Recht des Klägers auf Kenntnis seiner Abstammung zu dulden und hinzunehmen. Zumal die Analyse dieser Erbgutbestandteile im Wege eines Verfahrens mit experimentellem Charakter erfolgen würde, das gerade keine gesicherte und verifizierte Ergebnisse verspräche. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Dem 14-jährigen Kläger aus dem Landkreis Hameln steht noch die Möglichkeit offen, den Bundesgerichtshof in Karlsruhe anzurufen.

Richter bedauert die Situation des Klägers

"Ich bedauere die Situation des Klägers. Für ihn ist die Entscheidung unbefriedigend. Und auch der Landkreis Hameln-Pyrmont, der für die Eltern mit sehr aufwendigen Sozialleistungen eingesprungen ist, hat nun bis auf weiteres keinen Kindesvater, bei dem er Rückgriff nehmen könnte. Aber Gerichtsverfahren bieten keinen Raum für experimentelle Grundlagenforschung. Theoretische Erwägungen von Experten zu überprüfen ist nicht Aufgabe eines Gerichts bei der Wahrheitsfindung im Wege der Beweisaufnahme. Vielleicht ermöglicht der wissenschaftliche Fortschritt dem Kläger irgendwann in Zukunft noch einmal, die Tür zur Klärung seiner Abstammung aufzustoßen."

Themenindex:
Vaterschaftstest, Abstammungsuntersuchung

Gericht:
Oberlandesgericht Celle, Urteil vom 30.01.2013 - 15 UF 51/06

Quelle: OLG Celle
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