Wer geschäftsunfähig ist, kann laut BGB auch keine Ehe eingehen. Das heißt im Umkehrschluss jedoch nicht, dass jede Ehe, die in einem Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit geschlossen wurde, wieder aufzuheben ist, so das Urteil des BGH.

Beim Blick auf die verfassungsrechtlich fixierte "Eheschließungsfreiheit" muss vielmehr immer abgewogen werden, inwieweit dem öffentlichen Interesse an der Aufhebung überhaupt ein wesentliches Gewicht beizumessen ist. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden und die Aufhebung der Ehe einer Frau mit einem an Alzheimer erkrankten Mann für unrechtmäßig erklärt.

Der Sachverhalt

Wie die telefonische Rechtsberatung der Deutschen Anwaltshotline (www.anwaltshotline.de) berichtet, lebten die Beiden schon seit drei Jahrzehnten partnerschaftlich zusammen, als der Mann wegen Demenzverdachts zunächst in eine geschlossene psychiatrische Anstalt kam.

Später wurde er in ein spezialisiertes Seniorenheim verlegt und durfte dann in ein mit seinen Mitteln erworbenes Wohnhaus zurückkehren, wo ihn seine inzwischen zur Betreuerin bestellte Partnerin pflegte und versorgte. Im heimischen Schlafzimmer fand dann sechs Monate später die standesamtliche Trauung statt.

Deren rechtmäßiger Charakter wurde jetzt allerdings von einer Nichte des Kranken angefochten. Der Onkel sei zum Zeitpunkt der Eheschließung wegen seiner Demenz nicht ehegeschäftsfähig gewesen. Und deshalb müsse sie durch richterlichen Beschluss sofort wieder aufgehoben werden.

Die Entscheidung

Dem widersprachen Deutschlands oberste Bundesrichter. "Eine solche Aufhebung ist laut ausdrücklicher Festlegung des BGB nur rechtmäßig, wenn sie für die Ehegatten oder für die aus der Ehe hervorgegangenen Kinder keine schwere Härte darstellt", erklärt Rechtsanwältin Jetta Kasper. Das wäre bei dieser behördlichen "Zwangsscheidung" der Fall.

Amtliche Leitsätze des Bundesgerichtshof

a) In einem von der Verwaltungsbehörde beantragten Eheaufhebungsverfahren ist das Eingreifen der Härteklausel (§ 1316 Abs. 3 BGB) vom Gericht eigenständig zu prüfen. Ist dies zu bejahen, hat das Gericht den Antrag der Verwaltungsbehörde als unzulässig abzuweisen.

b) Bei der Prüfung des Härtefalls ist das bestehende öffentliche Ordnungsinteresse gegen die privaten Interessen der Ehegatten und Kinder unter Beachtung der Grundrechtsgarantien des Art. 6 Abs. 1 GG abzuwägen. Eine Aufhebung der Ehe ist jedenfalls dann nicht geboten, wenn vom Standpunkt eines billig und gerecht denkenden Betrachters dem öffentlichen Interesse an

Dem öffentlichen Interesse an der formellen Wahrung der Eheschließungsfreiheit stehen gravierende Eheerhaltungsinteressen beider Ehegatten gegenüber. Sie leben seit vielen Jahren in ehelicher Gemeinschaft, und während dieser gesamten Zeit hat die Frau ihren Mann aufopferungsvoll gepflegt. Durch die geforderte Eheaufhebung würde dieser langjährig gewachsenen Lebensgemeinschaft mit ihrer geradezu vorbildlich gelebten ehelichen Solidarität unnötigerweise die rechtliche und gesellschaftliche Grundlage entzogen.

Rechtsgrundlagen:

BGB §§ 1304, 1316 Abs. 3

Gericht:
Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.04.2012 - XII ZR 99/10

Vorinstanzen:
AG Schwarzenbek, 24.01.2008 - 8 F 564/05
OLG Schleswig, 23.06.2010 - 10 UF 30/08

Quelle: Deutsche Anwaltshotline
Veröffentlicht durch Rechtsindex