Eine Vormundschaft für ein Kind muss nicht allein deshalb eingerichtet werden, weil die Eltern im Ausland wohnen und dort nur schwer zu erreichen sind. Die Eltern bleiben in diesem Fall auch dann Inhaber der elterlichen Sorge, wenn sie deren Ausübung einer dritten Person übertragen haben.
Der Sachverhalt
Durch Vermittlung einer Hilfsorganisation lebt ein Junge seit Oktober 2008 mit Zustimmung seiner in Afghanistan verbliebenen Eltern bei der Antragstellerin in der Bundesrepublik Deutschland. Der Junge leidet an einem mehrfachen Herzfehler. Auf diese Weise kann das Kind die erforderliche medizinische Versorgung erhalten, die in Afghanistan nicht gesichert wäre.
Die Antragstellerin hat die Einrichtung einer Vormundschaft beantragt und zur Begründung vorgetragen, der Rechtsstatus des Kindes sei ungeklärt, die Eltern des Kindes seien in Afghanistan nur schwer zu erreichen und deshalb an der Ausübung der elterliche Sorge gehindert. Eine Postanschrift existiere nicht. Da die Eltern nur ihre Muttersprache sprächen, könne sie nicht direkt und nicht jederzeit mit ihnen kommunizieren, sondern nur über Dritte wie den Dorfvorsteher oder den Vorsteher der Moschee des kleinen Ortes, in dem die Eltern leben.
Die Entscheidung
Der Antrag auf Einrichtung einer Vormundschaft hatte in erster Instanz keinen Erfolg. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen diese Entscheidung des Familiengerichts hat der 3. Familiensenat des Oberlandesgerichts Koblenz nun zurückgewiesen. Die Einrichtung einer Vormundschaft sei nicht erforderlich, da das Kind weiter unter der elterlichen Sorge seiner in Afghanistan lebenden Eltern stehe. Diese hätten zwar die Ausübung der elterlichen Sorge in zulässiger Weise bis auf Weiteres auf die Antragstellerin übertragen, könnten die erteilte Vollmacht aber jederzeit widerrufen und die Sorgerechtsverantwortung wieder selbst übernehmen. Eine Vormundschaft sei nur dann einzurichten, wenn ein Minderjähriger nicht unter elterlicher Sorge stehe.
Die elterliche Sorge ruhe auch nicht
Dies sei nur dann der Fall, wenn die Eltern die elterliche Sorge tatsächlich über längere Zeit nicht ausüben könnten. Hierzu reiche die bloße physische Abwesenheit nicht aus, wenn die Eltern – wie hier - ihr Kind bei Dritten gut versorgt wüssten und auch aus der Ferne Einfluss auf die Ausübung der elterlichen Sorge nehmen könnten. Die Eltern des Kindes seien erreichbar, wenn auch mühsam und über Umwege. Die Eltern seien auch in der Lage, selbst Kontakt zu ihrem Kind aufzunehmen. Dass sie auf die elterliche Sorge in den vergangenen Jahren keinen Einfluss genommen hätten, stehe diesem Ergebnis nicht entgegen.
Gericht:
Oberlandesgericht Koblenz, Beschluss vom 24. Februar 2011 - 11 UF 153/11
Pressemitteilung des OLG Koblenz, Rechtsindex
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