Nach Urteil des BGH (Az. V ZR 48/13) bedarf die Errichtung einer Mobilfunksendeanlage auf dem Haus einer Wohnungseigentümergemeinschaft der Zustimmung sämtlicher Wohnungseigentümer. Die Mobilfunkanlage stelle eine Beeinträchtigung dar, die man nicht zustimmungslos hinnehmen muss.

Der Sachverhalt

Die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft fassten 2010 mehrheitlich den Beschluss, einem Unternehmen die Aufstellung und den Betrieb einer Mobilfunkanlage auf dem Fahrstuhldach der Wohnungseigentumsanlage zu gestatten.

Ein Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft ist damit nicht einverstanden und klagte dagegen. Der von ihr gegen den Beschluss erhobenen Anfechtungsklage haben beide Vorinstanzen mit der Begründung stattgegeben, die Anbringung der Mobilfunkanlage sei eine bauliche Veränderung, die nach § 22 Abs. 1 i.V.m § 14 Nr. 1 WEG der Zustimmung sämtlicher Wohnungseigentümer bedurft hätte. Mit der Revision möchten die Beklagten die Abweisung der Klage erreichen.

Das Urteil des Bundesgerichtshofs (Az. V ZR 48/13)

Der Bundesgerichtshof hat die Revision zurückgewiesen und die Rechtsauffassung der Vorinstanzen mit der Erwägung bestätigt, dass auf der Grundlage des allgemeinkundigen wissenschaftlichen Streits um die von Mobilfunksendeanlagen ausgehenden Gefahren und der daraus resultierenden Befürchtungen zumindest die ernsthafte Möglichkeit einer Minderung des Miet- oder Verkaufswerts von Eigentumswohnungen besteht. Dies stellt eine Beeinträchtigung dar, die ein verständiger Wohnungseigentümer nicht zustimmungslos hinnehmen muss (§ 22 Abs. 1 i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG).

Entgegen der Auffassung der Revision ist eine andere Beurteilung auch nicht mit Blick auf die Regelung des § 906 Abs. 1 Satz 2 BGB geboten. Danach besteht zwar im Verhältnis benachbarter Grundstückseigentümer eine Vermutung dafür, dass bestimmte Einwirkungen, zu denen auch Strahlenimmisionen gehören, unwesentlich und daher hinzunehmen sind, wenn die einschlägigen Grenz- und Richtwerte eingehalten werden.

Nicht aber regelt die Norm den Konflikt unter Wohnungseigentümern darüber, wie mit dem Gemeinschaftseigentum umgegangen werden soll und ob hierzu bauliche Veränderungen mit all ihren Vorzügen und Nachteilen vorgenommen werden sollen. Der Rückgriff von § 22 Abs. 1 WEG auf den Maßstab des § 14 Nr. 1 WEG soll sicherstellen, dass das Recht jedes Wohnungseigentümers, auf Entscheidungen über bauliche Veränderungen durch das Zustimmungserfordernis maßgebend Einfluss zu nehmen (§ 903 BGB), grundsätzlich gewahrt bleibt.

In diese Befugnis darf nur eingegriffen werden, soweit Wohnungseigentümer von der Maßnahme gar nicht oder nur ganz geringfügig betroffen sind. Für die Konkretisierung dieser spezifisch wohnungseigentumsrechtlichen Geringfügigkeit liefern die in § 906 Abs. 1 Satz 2 BGB genannten immissionsrechtlichen Grenz- und Richtwerte keinen brauchbaren Maßstab. Das gilt umso mehr, als das Zusammenleben in einer Wohnungseigentumsanlage - auch bei Entscheidungen über bauliche Veränderungen - ein stärkeres Maß an Rücksichtnahme verlangt.

Rechtsgrundlagen:
§ 22 Abs. 1 WEG
§ 14 WEG
§ 903 Satz 1 BGB
§ 906 Abs. 1 BGB

Gericht:
Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.01.2014 - V ZR 48/13

BGH, PM Nr. 14/14
Rechtsindex - Recht & Urteile
Ähnliche Urteile:

Vor einer Beschlussfassung über eine konkrete Modernisierungsmaßnahme sind den Eigentümern einer Wohnungseigentümergemeinschaft die Informationen über die für sie wesentlichen Entscheidungskriterien mitzuteilen. Geschieht dies nicht, sind gefasste Beschlüsse ungültig. Urteil lesen

Versicherungsschutz - Wer als Radfahrer auf dem Heimweg von der Arbeit einem Autofahrer den Weg versperrt, um ihn wegen eines vermeintlichen Verkehrsverstoßes zur Rede zu stellen, verliert den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Urteil lesen

Die Klauseln in Mobilfunkverträgen, wonach für eine Nichtnutzung von Mobilfunkleistungen eine sogenannte "Nichtnutzergebühr" bezahlt werden soll oder eine "Pfandgebühr" nach Vertragsende, wenn die SIM-Karte nicht zurückgeschickt wird, sind unzulässig. Urteil lesen

Die Gemeinde haftet nicht, wenn eine Gefahrenquelle gut erkennbar ist und der Fußgänger den Zustand des Gehweges kannte. Die Entschärfung einer Gefahrenquelle (Erneuerung der Gehwegplatten), kann nicht als Anerkenntnis einer Verkehrssicherungspflicht gedeutet werden. Urteil lesen

Werbung
Werbung auf Rechtsindex.de