Wie sieht eigentlich die rechtliche Situation bei einer Klingelsprechanlage mit Video aus, bei der die Bildübertragung immer nur dann kurzfristig aktiviert wird, wenn jemand an der Haustüre steht und klingelt? Dazu ein Urteil des BGH.

Die deutsche Rechtsprechung steht einer konstanten Überwachung von Hauseingängen mit Hilfe von Videokameras sehr skeptisch gegenüber. Regelmäßig gehen die Gerichte in solchen Fällen davon aus, dass die Persönlichkeitsrechte der vorbeigehenden Menschen durch die Aufzeichnung verletzt werden könnten.

Wie aber sieht es mit einem eingebauten Videoauge in einem Klingeltableau aus, das immer nur dann kurzfristig aktiviert wird, wenn jemand an der Haustüre steht und klingelt, damit der Bewohner sieht, wer eingelassen werden will. Der Infodienst Recht und Steuern der LBS weist auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs hin.

Der Sachverhalt

Gestritten hatten sich in dieser Sache die Eigentümer eines Mehrfamilienhauses. Die Bildübertragung des Videoauges im Klingeltableau war zwar nicht ohne vorheriges Anklingeln möglich und erlaubte somit kein dauerhaftes Aufzeichnen von Bildern, etwa durch Anschluss weiterer Geräte. Die Gegner der Klingel-/Videoanlage führten jedoch an, dass nach Angaben des Herstellers die Möglichkeit bestünde, die Konfigurationseinstellungen durch einen Fachmann zu ändern.

Kontinuierliche Videoüberwachung durch Konfiguratiosänderung möglich

Demnach könnte man einen Fachmann beauftragen, die Konfiguration der Anlage zu ändern und eine weitergehende Nutzung der Videoanlage einzustellen. Im Hinblick auf den Schutz der Persönlichkeitsrechte der übrigen Eigentümer sei zu verlangen, dass jedwede Manipulation und Möglichkeit zum anderweitigen Betrieb einer solchen Anlage von vornherein ausgeschlossen ist.diese könne durch Manipulation zu einer dauerhaften Überwachung umfunktioniert werden.

Aber alleine diese theoretische Möglichkeit eines Missbrauchs reichte den Richtern nicht aus. Gegen das hier vorliegende elektronische Auge sei nichts einzuwenden.

Das Urteil des Bundesgerichtshofs

Der nachträgliche Einbau einer Videoanlage im gemeinschaftlichen Klingeltableau kann gemäß § 22 Abs. 1 WEG verlangt werden, wenn die Kamera nur durch Betätigung der Klingel aktiviert wird, eine Bildübertragung allein in die Wohnung erfolgt, bei der geklingelt wurde, die Bildübertragung nach spätestens einer Minute unterbrochen wird und die Anlage nicht das dauerhafte Aufzeichnen von Bildern ermöglicht. (Amtl. Leitsatz)

Die theoretische Möglichkeit einer manipulativen Veränderung der Anlage rechtfertigt nicht die Annahme einer über das Maß des § 14 Nr. 1 WEG hinausgehenden Beeinträchtigung. Ein Nachteil liegt erst vor, wenn eine Manipulation aufgrund der konkreten Umstände hinreichend wahrscheinlich ist. (Amtl. Leitsatz)

Aus dem Urteil

[...] Soweit das Berufungsgericht die Auffassung vertritt, ein unzulässiger Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der übrigen Wohnungseigentümer sei nur dann zu verneinen, wenn jedwede Manipulation oder Möglichkeit zum anderweitigen Betrieb der Videoanlage von vorneherein ausgeschlossen ist, kann dem in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden. Allein die fern liegende, mehr oder weniger theoretische Möglichkeit, durch manipulative Eingriffe die Konfiguration der Anlage so zu ändern, dass die Videokamera unabhängig von einem Klingeln aktiviert werden kann, rechtfertigt nicht die Annahme einer über das Maß des § 14 Nr. 1 WEG hinaus gehenden Beeinträchtigung der übrigen Wohnungseigentümer. Das bloße Risiko einer Beeinträchtigung ist noch keine Beeinträchtigung. Ein Nachteil liegt erst vor, wenn durch die Videoanlage die Beeinträchtigung eines anderen Wohnungseigentümers hinreichend wahrscheinlich ist (vgl. Merle in Bärmann, WEG, 11. Auflage, § 22 Rn. 174; vgl. auch BGH, Urteil vom 16. März 2010 - VI ZR 176/09, NJW 2010, 1533, 1534). [...]

§ 6b BDSG steht der Zulässigkeit der Anbringung nicht entgegen

[...] § 6b BDSG, dessen Wertungen im Rahmen des § 14 Nr. 1 WEG zu berücksichtigten sind (Merle in Bärmann, WEG, 11. Auflage, § 22 Rn. 276; Hogenschurz in Jenissen, WEG, 2. Auflage, § 22 Rn. 107; Huff, NZM 2002, 89, 90; vgl. auch BayOblG, MietRB 2005, 180, 181; KG, NJW 2002, 2798, 2799), steht der Zulässigkeit der Anbringung der fraglichen Videokamera im Klingeltableau nicht entgegen. Nach § 6b Abs. 1 Nr. 2 BDSG ist die Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume zulässig, soweit sie zur Wahrnehmung des Hausrechts erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen. Zum öffentlich zugänglichen Raum zählt auch der jedermann zugängliche Eingangsbereich einer privaten Haus- oder Wohnungstür (Simitis/Bizer, BDSG, 5. Auflage, § 6b Rn. 34, 41) [...]

Gericht:
Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.04.2011 - V ZR 210/10

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