Ein erfahrener Personaler erkennt schnell, ob eine Bewerbung ernst gemeint ist oder nicht. Insbesondere ein fehlendes Anschreiben vermittelt den Eindruck, dass es dem Bewerber an Interesse mangelt. Eine Absage ist dann die konsequente Folge, kann aber zu Problemen führen, wenn sich der Arbeitssuchende deswegen diskriminiert fühlt.

Neben dem Lebenslauf spielt auch das Anschreiben einer Bewerbung eine wichtige Rolle. Der Arbeitgeber erfährt hier, warum der Bewerber ausgerechnet für ihn arbeiten möchte. Dementsprechend negativ fällt es auf, wenn eine Bewerbung kein Anschreiben enthält.

Viele Arbeitgeber sortieren solche Bewerbungen daher sofort aus, ohne sich die weiteren Unterlagen anzusehen. So entgehen ihnen natürlich wichtige Informationen, z. B. die Behinderung des Bewerbers. Wird dieser mangels Anschreiben in der Bewerbung abgelehnt, stellt sich die Frage, ob ihm wegen einer Behindertendiskriminierung Entschädigungsansprüche zustehen.

Behinderung als Ablehnungsgrund?

Ein schwerbehinderter Arbeitssuchender mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 70 bewarb sich online auf eine Stelle als „Customer Service Representative (m/w)“. Über ein Dialogfenster auf der Website des Arbeitgebers lud er zwar seinen Lebenslauf sowie Zeugnisse hoch, fügte jedoch kein Anschreiben bei. Kurze Zeit später erhielt er eine Absage. Der Bewerber war der Ansicht, wegen seiner Schwerbehinderung nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden zu sein – den GdB habe er schließlich in seinem zehnseitigen Lebenslauf erwähnt. Er verlangte vom Arbeitgeber daher eine Entschädigung wegen Diskriminierung.

Der Arbeitgeber erwiderte, von der Schwerbehinderung des Arbeitssuchenden nichts gewusst zu haben. Denn sämtliche Bewerbungen ohne Anschreiben seien sofort und ohne weitere Durchsicht aussortiert worden, um der Masse an eingehenden Bewerbungen Herr zu werden. Im Übrigen lasse ein fehlendes Anschreiben an der Ernsthaftigkeit einer Bewerbung zweifeln. Daraufhin zog der Arbeitssuchende vor Gericht.

Keine Diskriminierung ersichtlich

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Mainz verneinte eine Diskriminierung des Bewerbers wegen seiner Schwerbehinderung und somit auch einen Entschädigungsanspruch nach § 15 II Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG).

Grundsätzlich wird eine Diskriminierung nur angenommen, wenn die Vermutung naheliegt, dass die Behinderung des Bewerbers die Entscheidung des Arbeitgebers (mit)beeinflusst hat, vgl. § 22 AGG. Vorliegend konnte das Gericht jedoch nicht erkennen, dass der Arbeitgeber den Arbeitssuchenden gerade oder zumindest auch wegen seiner Behinderung abgelehnt hat.

Hinweis auf Behinderung nötig

Ein Arbeitssuchender muss deutlich auf seine Schwerbehinderteneigenschaft hinweisen, wenn er sie im Rahmen des Bewerbungsverfahrens berücksichtigt wissen will. Der Arbeitgeber muss also explizit von der Schwerbehinderung des erfolglosen Bewerbers gewusst haben, als er seine Entscheidung gefällt hat. Normalerweise gehört der Hinweis auf die Behinderung daher ins Anschreiben - das nämlich muss der Arbeitgeber vollständig durchlesen. Allerdings kann auch ein Hinweis im Lebenslauf genügen, sofern er besonders hervorgehoben und an übersichtlicher Stelle erscheint. Geht die Information dagegen in der Fülle der übrigen Lebenslaufangaben unter, kann nicht erwartet werden, dass der Arbeitgeber von der Behinderung des Bewerbers weiß.

Vorliegend hatte der Arbeitgeber keine Kenntnis von der Behinderung des Arbeitssuchenden. So fehlte es bereits an einem Bewerbungsschreiben, das die nötige Info übermittelt hätte. Zwar enthielt der Lebenslauf einen entsprechenden Hinweis, allerdings an einer unauffälligen Stelle. Auch war der Arbeitgeber nach Ansicht des Gerichts nicht verpflichtet, sich den zehnseitigen Lebenslauf durchzulesen. Es war vielmehr zulässig, Bewerbungen ohne Anschreiben unverzüglich "auszusieben". Denn das Unternehmen hatte sehr viele Bewerbungen erhalten - eine gewisse Vorauswahl war daher zulässig. Der Bewerber war somit nicht wegen seiner Schwerbehinderung, sondern allein wegen des fehlenden Anschreibens abgelehnt worden - mangels Diskriminierung konnte er daher auch keine Entschädigung verlangen.

Gericht:
Landesarbeitsgericht Mainz, Urteil vom 20.08.2015 - 2 Sa 27/15

Sandra Voigt
Assessorin
Redakteurin - Juristische Redaktion
Ein Beitrag von anwalt.de

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