Meldet sich ein Beschäftigter krank, weil ihm der beantragte Urlaub nicht gewährt wurde, verstößt er gegen seine Rücksichtnahmepflicht gegenüber seinem Chef. Doch kann der das Arbeitsverhältnis deswegen fristlos kündigen?

Viele Beschäftigte müssen ihren Urlaub weit im Voraus beantragen und in einen Urlaubsplan eintragen. Dennoch kann es immer wieder vorkommen, dass sie für ein oder zwei Tage kurzfristig Urlaub nehmen müssen. Gewährt der Chef diesen nicht - z. B. weil es die Auftragslage nicht zulässt -, meldet sich so mancher Mitarbeiter daraufhin krank. Damit riskiert er jedoch eine fristlose Kündigung - schließlich verstößt er mit seinem Verhalten schwerwiegend gegen arbeitsvertragliche Pflichten.

Arbeitgeber lehnt Urlaubsantrag ab

Ein Produktionshelfer war in einem Unternehmen tätig und für die Spätschicht eingeteilt. Er musste daher seine Arbeit eigentlich um 14 Uhr beginnen, schrieb eines Morgens jedoch seinem direkten Vorgesetzten eine SMS und beantragte kurzfristig Urlaub für diesen Tag - schließlich müsse er einige dringende Sachen erledigen. In darauffolgenden Telefonaten - das letzte Gespräch fand kurz vor 14 Uhr statt - lehnte der Chef eine Urlaubsgewährung ab. Nun erklärte der Angestellte, dass er jetzt zum Arzt gehe. Etwa eine halbe Stunde später rief er erneut bei seinem Chef an und meldete sich krank.

Der Vorgesetzte meldete diesen Sachverhalt wiederum seinem eigenen Chef, der den Betriebsrat zu einer fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung anhörte. Der Produktionshelfer sei niemals krank gewesen - dass er sich krank fühle, habe er in den Telefonaten auch nie erwähnt. Er habe also gelogen, um an dem betreffenden Tag doch noch zu Hause bleiben zu können. Außerdem habe der Mitarbeiter seinen Chef bedroht, als der den Urlaub nicht bewilligte. Das jedoch bestritt der Beschäftigte. Auch erklärte er, tatsächlich an einer Magen-Darm-Infektion gelitten zu haben. Er habe schließlich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) nachgereicht - allerdings einen Tag später, weil die Arztpraxis vormittags geschlossen hatte. Um deswegen Schwierigkeiten mit dem Chef zu vermeiden, habe er für den Tag Urlaub beantragt. Als ihm dennoch fristlos gekündigt wurde, zog er vor Gericht.

Fristlose Kündigung ist wirksam

Nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts (LAG) Hamm hatte die fristlose Kündigung das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien wirksam beendet. Der Produktionshelfer hatte schließlich schwerwiegend gegen seine arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht verstoßen.

Verstoß gegen Rücksichtnahmepflicht

Das Gericht war davon überzeugt, dass der Beschäftigte nicht wirklich arbeitsunfähig erkrankt war. Erst als ihm der Urlaub nicht wie gewünscht bewilligt wurde, hatte er angekündigt, zum Arzt zu gehen und sich krankschreiben zu lassen. Auch hatte er in keinem der vorangegangenen Telefonate erwähnt, sich krank zu fühlen. Vielmehr hatte er selbst erklärt, den Tag freinehmen zu müssen, um etwas Wichtiges zu erledigen. Letztendlich stimmte auch die Aussage nicht, dass er bereits am Vormittag - und nicht erst nach dem letzten Telefonat um kurz vor 14 Uhr - versucht habe, seinen Arzt zu kontaktieren. Der wurde nämlich als Zeuge befragt und stellte klar, dass die Praxis an diesem Tag nur nachmittags geschlossen war, er am Vormittag aber sehr wohl Patienten empfangen habe - nicht jedoch den Produktionshelfer.

Damit hat der Arbeitnehmer "rücksichtslos" gehandelt und zum Ausdruck gebracht, dass er notfalls seine Rechte aus dem Entgeltfortzahlungsgesetz im Krankheitsfall geltend macht, wenn er seinen Urlaub nicht bekommt. Das jedoch stellte eine unzulässige Drohung dar, um seinen Wunsch nach Urlaub durchzusetzen. Aus diesem Grund hatte der Arbeitgeber sein Vertrauen in "die Redlichkeit und Loyalität" des Produktionshelfers verloren - ihm war ein Festhalten am Vertrag somit nicht mehr zumutbar. Weder war eine vorherige Abmahnung erforderlich noch musste eine Kündigungsfrist beachtet werden.

Über Gesundheitszustand gelogen

Zwar hatte der Angestellte eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt - die gilt grundsätzlich als Beweis, dass der Beschäftigte tatsächlich krank ist und seiner Tätigkeit nicht nachgehen kann. Im vorliegenden Fall war die AU aber nicht mehr viel wert. Aufgrund des zeitlichen Zusammenhangs zwischen Nichtgewährung des Urlaubs und Ankündigung der Krankheit hatte der Chef berechtigte Zweifel an ihrem Wahrheitsgehalt. Die hätte der Produktionshelfer ausräumen können und müssen, indem er zu seinen Krankheitssymptomen bzw. seiner Krankheit vorträgt. Er hatte aber - auch gegenüber dem krankschreibenden Arzt - nur pauschal eine Magen-Darm-Infektion behauptet und war ohne weitere Untersuchung krankgeschrieben worden. Der Verdacht des Arbeitgebers, dass der Produktionshelfer "blaumacht", konnte so nicht widerlegt werden.

Der Angestellte hatte nicht nur über eine Erkrankung gelogen und sich so einen bezahlten freien Tag erschlichen, sondern auch seinen Chef einzuschüchtern versucht, um den Urlaub doch noch gewährt zu bekommen. Sein schwerwiegendes Fehlverhalten stellte somit einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung nach § 626 I Bürgerliches Gesetzbuch dar.

Gericht:
Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 14.08.2015 - 10 Sa 156/15

Sandra Voigt
Assessorin
Redakteurin - Juristische Redaktion
Ein Beitrag von anwalt.de

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