Eine Stellenbewerberin klagt auf mindestens 30.000 Euro Entschädigung, da sie ihrer Auffassung wegen vermeintlichen Übergewichts und damit wegen einer angenommenen Behinderung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) benachteiligt worden sei.

Der Sachverhalt

Die beklagte stellvertretende Vorsitzende eines gemeinnützigen Vereins und ein weiteres Vorstandsmitglied führten mit der Bewerberin ein Vorstellungsgespräch. Der Verein verfolgt ausschließlich gemeinnützige Ziele im Rahmen der Gesundheitsförderung. Nach dem ersten Vorstellungsgespräch wurde mit der Bewerberin ein weiteres Gespräch vereinbart.

Bewerberin sei mit ihrem Übergewicht kein vorzeigbares Beispiel

Vor dem geplanten weiteren Vorstellungsgespräch schrieb eine der Beklagten die Bewerberin an und fragte sie, was dazu geführt habe, dass sie kein Normalgewicht habe. Es gehe auch darum, dass die Bewerberin bei Mitgliederversammlungen anwesend sein müsse und dass vielen Mitgliedern immer wieder gesagt werden müsse, dass sie das Thema Übergewicht ausschalten müssten (...). In ihrem jetzigen Zustand wäre die Bewerberin natürlich kein vorzeigbares Beispiel und würde die Empfehlungen des Vereins für Ernährung und Sport konterkarieren. Zu dem vereinbarten zweiten Vorstellungsgespräch erschien die Bewerberin nicht.

Bewerberin sieht sich im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes benachteiligt

Die klagende Bewerberin behauptet, eine der Beklagten habe ihrem Ehemann gegenüber deutlich gemacht, sie brauche zu dem zweiten Vorstellungsgespräch nicht zu erscheinen, wenn sie die Gründe für ihr Übergewicht nicht nennen wolle. Sie meint, als Entschädigung sei ein Jahresgehalt, mindestens aber 30.000,00 € zu zahlen, da sie laut ihrer Auffassung als Stellenbewerberin wegen vermeintlichen Übergewichts und damit wegen einer angenommenen Behinderung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) benachteiligt worden sei. Hilfsweise stützt sie die geltend gemachten Ansprüche u. a. auf eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes. Die Entschädigung müsse eine abschreckende Wirkung haben.

Bewerberin verlangt mindestens 30.000 Euro Entschädigung

Die Beklagten bestreiten, dass die Klägerin wegen ihres vermeintlichen Übergewichts bzw. einer angenommenen Behinderung nicht eingestellt worden sei. Die Klägerin sei nicht eingestellt worden, weil sie ohne Angabe von Gründen zu dem zweiten Vorstellungsgespräch nicht erschienen sei. Die Zahlung einer Entschädigung in der Höhe von 30.000,00 € sei für sie existenzvernichtend.

Das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt

Das Arbeitsgericht Darmstadt hat entschieden, das die geltend gemachten Ansprüche nicht bestehen. Die geltend gemachten Ansprüche ergeben sich nicht aus § 15 Abs. 2 AGG. Es liegt keine Diskriminierung wegen einer Behinderung im nationalen/unionsrechtlichen Sinne vor. Die Klägerin ist unstreitig nicht behindert und auch tatsächlich nicht so übergewichtig, dass eine Behinderung im nationalen/unionsrechtlichen Sinne in Betracht käme. Es ist auch nicht ausreichend deutlich geworden, dass die Beklagte bei ihrer ablehnenden Entscheidung von einer Behinderung im Rechtssinne ausgegangen ist.

Keine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes

Es liegt kein widerrechtlicher Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin vor. Es steht nicht zur Überzeugung des Gerichtes fest, dass die Klägerin in erster Linie wegen ihres vermeintlichen Übergewichtes nicht eingestellt worden ist. Hiergegen spricht bereits der Umstand, dass die Klägerin zunächst zu einem zweiten Vorstellungsgespräch eingeladen wurde. Sofern die Beklagten sich bei der Entscheidung, ob die Klägerin als Geschäftsführerin eingestellt wird, auch von dem äußeren Erscheinungsbild der Klägerin und ihrer mangelnden Bereitschaft, sich hierüber auszutauschen, bestimmen ließen, liegt hierin kein widerrechtlicher Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht.

Bewerberin erhält keine Entschädigung

Eine Rechtspflicht des Beklagten, seine Entscheidung über die Einstellung gänzlich unabhängig vom äußeren Erscheinungsbild der Klägerin zu treffen, besteht nicht. Vielmehr durfte die Beklagte in ihre Erwägungen auch einbeziehen, ob die Klägerin aufgrund ihrer Gesamtpersönlichkeit und Erscheinung bereit und in der Lage ist, die Anliegen des Vereins, namentlich dessen Empfehlungen für ein gesundheitsbewusstes Verhalten, überzeugend zu vertreten.

Ein Anspruch auf Schmerzensgeld besteht auch nicht im Hinblick auf die Äußerungen der Beklagten, welche diese (angeblich) über das äußere Erscheinungsbild der Klägerin getätigt hat. In jedem Fall ist der hierin liegende Eingriff nicht so schwerwiegend, dass er durch die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes auszugleichen wäre.

Gericht:
Arbeitsgericht Darmstadt, Urteil vom 12.06.2014 - 6 CA 22/13

ArbG Darmstadt
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