Hat ein Arbeitgeber den Verdacht des Diebstahls gegen einen Arbeitnehmer und findet bei einer "heimlichen" Kontrolle in dessen Umkleideschrank entwendete Damenunterwäsche, kann der prozessualen Verwertung der Beweismittel die Heimlichkeit der Durchsuchung entgegenstehen.

Der Sachverhalt

Der 1971 geborene Arbeitnehmer war in einem Großhandelsmarkt als Verkaufsmitarbeiter beschäftigt. Dort arbeitete er in der Getränkeabteilung im Schichtbetrieb. Wegen eines laut gewordenen Diebstahlverdachts öffnete der zuständige Geschäftsleiter im Beisein eines Betriebsratsmitglieds während der Arbeitszeit den verschlossenen Spind des Mitarbeiters und durchsuchte ihn. Nach Behauptung des Geschäftsleiters wurde dabei "geklaute" Damenunterwäsche entdeckt.

Der Arbeitgeber erstattete Strafanzeige gegen den Mitarbeiter wegen Diebstahls von vier Teilen Damenunterwäsche. Eine unmittelbar darauf beim Mitarbeiter - mit dessen Einverständnis - polizeilich durchgeführte Wohnungsdurchsuchung verlief ergebnislos. Im Anschluss des Vorfalls war der Mitarbeiter arbeitsunfähig erkrankt. Eine Frist zur Stellungnahme ließ der Mitarbeiter verstreichen. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis fristlos, mit einem weiteren Schreiben wurde "hilfsweise" ordentlich gekündigt.

Der Mitarbeiter beanstandete in seiner Kündigungschutzklage u.a. die heimliche Durchsuchung seines Spinds und sah darin seine Persönlichkeitsrechte verletzt. Die daraus gewonnene Erkenntnisse seien prozessual nicht verwertbar.

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (Az. 2 AZR 546/12)

Der prozessualen Verwertung von Beweismitteln, die der Arbeitgeber aus einer in Abwesenheit und ohne Einwilligung des Arbeitnehmers durchgeführten Kontrolle von dessen Schrank erlangt hat, kann schon die Heimlichkeit der Durchsuchung entgegenstehen (Amtl. Leitsatz)

Arbeitnehmer müssen darauf vertrauen können, dass ihnen zugeordnete Schränke nicht ohne ihre Einwilligung geöffnet, dort eingebrachte persönliche Sachen nicht ohne ihr Einverständnis durchsucht werden. Geschieht dies dennoch, liegt regelmäßig ein schwerwiegender Eingriff in ihre Privatsphäre vor. Er kann nur bei Vorliegen zwingender Gründe gerechtfertigt sein. Bestehen konkrete Anhaltspunkte für eine Straftat und zählt der Arbeitnehmer zu dem anhand objektiver Kriterien eingegrenzten Kreis der Verdächtigen, kann sich zwar aus dem Arbeitsvertrag iVm. § 242 BGB eine Verpflichtung ergeben, Aufklärungsmaßnahmen zu dulden (ErfK/Schmidt 13. Aufl. Art. 2 GG Rn. 100). Erforderlich iSd. § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG bzw. verhältnismäßig im Sinne einer Beschränkung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kann eine Schrankkontrolle aber nur sein, wenn sie geeignet, erforderlich und angemessen ist.

Kein heimliches Durchsuchen des Spinds

Zugunsten des Arbeitgebers kann unterstellt werden, dass zum Zeitpunkt der Schrankkontrolle ein begründeter Verdacht gegen den Mitarbeiter bestand, sich Unterwäsche aus dem Bestand des Abeitgebers rechtswidrig zugeeignet oder zu einer solchen Tat zumindest unmittelbar angesetzt zu haben. Das "heimliche" Durchsuchen erweist sich auch dann als unverhältnismäßig. Der Arbeitgeberr hätte den Mitarbeiter zur Kontrolle seines Schranks hinzuziehen müssen. Ein Grund, der unter Berücksichtigung der Intensität des Eingriffs eine "heimliche" Durchsuchung hätte rechtfertigen können, liegt nicht vor.

Eine in Anwesenheit des Arbeitnehmers durchgeführte Schrankkontrolle ist gegenüber einer heimlichen Durchsuchung das mildere Mittel. Die Kontrolle in seinem Beisein gibt dem Arbeitnehmer nicht nur die Möglichkeit, auf die Art und Weise ihrer Durchführung Einfluss zu nehmen. Er kann sie u.U. - etwa durch freiwillige Herausgabe gesuchter Gegenstände - sogar ganz abwenden. Die verdeckte Ermittlung führt ferner dazu, dass dem Betroffenen vorbeugender Rechtsschutz faktisch verwehrt und nachträglicher Rechtsschutz erschwert wird. Die Heimlichkeit einer in Grundrechte eingreifenden Maßnahme erhöht typischerweise das Gewicht der Freiheitsbeeinträchtigung.

Themenindex:
Beweisverwertungsverbot

Gericht:
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.6.2013 - 2 AZR 546/12

(Hinweis: Urteil ist stark verkürzt wiedergegeben)

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