Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil eine Klausel zur Überstundenabgeltung im Arbeitsvertrag für ungültig erklärt. Der Arbeitgeber muss einem ehemaligen Mitarbeiter deshalb 968 Überstunden nachzahlen.  

Der Sachverhalt

Wie die Rechtsanwaltskammer Stuttgart berichtet, war der Kläger als Lagerleiter zu einem monatlichen Bruttoentgelt von 1.800 Euro bei der beklagten Spedition tätig. Im Arbeitsvertrag hatten die Parteien eine wöchentliche Arbeitszeit von 42 Stunden vereinbart. Bei betrieblichem Erfordernis sollte der Kläger ohne besondere Vergütung zu Mehrarbeit verpflichtet sein. Wörtlich hieß es in dem Arbeitsvertrag:

"Der Arbeitnehmer erhält für die Über- und Mehrarbeit keine weitergehende Vergütung." Nachdem der Mitarbeiter den Betrieb verlassen hatte, forderte er für insgesamt drei Jahre eine Überstundennachzahlung.

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts

Die Überstundennachzahlung hielt das Bundesarbeitsgericht für rechtens. Der Grund: Bei Fehlen einer (wirksamen) Vergütungsregelung verpflichtet § 612 Abs. 1 BGB den Arbeitgeber, geleistete Mehrarbeit zusätzlich zu vergüten, wenn diese den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten sei. Eine entsprechende objektive Vergütungserwartung sei regelmäßig gegeben, wenn der Arbeitnehmer kein herausgehobenes Entgelt beziehe. Den vertraglichen Ausschluss jeder zusätzlichen Vergütung von Mehrarbeit hielten die Karlsruher Richter wegen Intransparenz für unwirksam. Der Arbeitsvertrag lasse aus der Sicht eines verständigen Arbeitnehmers nicht erkennen, welche Arbeitsleistung der Kläger für das regelmäßige Bruttoentgelt schuldete. Er habe bei Vertragsschluss nicht absehen können, was auf ihn zukommen würde.

"Was genau unter einem herausgehobenen Entgelt zu verstehen ist, sagt das Bundesarbeitsgericht leider nicht. Deshalb sollten Arbeitgeber auf jeden Fall die Überstundenfrage im Arbeitsvertrag fair und auf rechtlich sauberer Basis lösen", empfiehlt Rechtsanwalt Dr. Thomas A. Degen von der Rechtsanwaltskammer Stuttgart. Das könne zum Beispiel dadurch geschehen, dass das Entgelt in ein Grundgehalt und einen Überstundenbonus aufgeteilt wird und im Arbeitsvertrag genau drin steht, für wie viele Überstunden der Bonus gezahlt wird. Wegen der Komplexität des Themas sollten Arbeitgeber wie auch Arbeitnehmer nicht ohne vorherige rechtliche Betreuung durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht in Verhandlungen treten. Entsprechende Rechtsanwälte nennt die Rechtsanwaltskammer Stuttgart gern auf telefonische Anfrage oder online unter www.rak-anwaltssuche.de.

Gericht:
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.02.2012 - 5 AZR 765/10

Eine Mitteilung der RAK Stuttgart
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