Unterschreibt ein ausländischer Arbeitnehmer trotz fehlender Deutschkenntnisse einen in deutsch verfassten Arbeitsvertrag, so akzeptiert er damit den gesamten Vertragsinhalt. Der Arbeitgeber muss den Arbeitsvertrag nicht unaufgefordert übersetzen.

Der Sachverhalt

Ein portugiesischer Staatsangehöriger (Kläger) mit Wohnsitz in Portugal, war vom 24.07.2009 bis 31.03.2011 bei einem Transportunternehmen (Beklagte) als Kraftfahrer im internationalen Transportwesen zu einer Bruttomonatsvergütung von 900,-- EUR beschäftigt. Der Kraftfahrer ist der deutschen Sprache nicht mächtig. Die Verhandlungen über die Vertragsinhalte wurden in portugiesischer Sprache geführt. Anschließend wurde ihm ein Formulararbeitsvertrag in deutscher Sprache vorgelegt. Eine Übersetzung des Vertrags wurde nicht erbeten und der Kraftfahrer unterzeichnete den Vertrag.

Der Vertrag beinhaltete u.a. eine Ausschlussfrist, wonach alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden.

Knapp ein Jahr später stellte das Unternehmen einen weiteren portugiesischen Arbeitnehmer in Anwesenheit des Klägers ein. Der neue Arbeitnehmer äußerte den Wunsch, den Vertrag in portugiesischer Sprache zu bekommen. Mit Hilfe eines Übersetzungsprogramms erfolgte dann eine Übersetzung des Vertrages und der Kläger besprach diesen Vertrag sodann mit dem neuen Arbeitnehmer.

Aus der Übersetzung sah der Kläger für sich Ansprüche und begehrt die Zahlung der Arbeitsvergütung für den Monat Dezember 2010, sowie die Zahlung von Fahrtkostenpauschalen in einer Gesamthöhe von 3.870,-- EUR netto aus dem Zeitraum März 2010 bis September 2010. Am 12.05.2011 erhob der Kläger Zahlungsklage. Das beklagte Unternehmen könne sich nicht auf die arbeitsvertraglich vereinbarten Ausschlussfristen berufen. Zur wirksamen Einbeziehung von allgemeinen Geschäftsbedingungen in den Vertrag sei es erforderlich, dass die andere Vertragspartei vom Inhalt der Klauseln in zumutbarer Weise Kenntnis nehmen könne. Dies sei hier nicht der Fall gewesen, da allen Beteiligten bekannt gewesen sei, dass er der deutschen Sprache nicht mächtig sei. Er habe die fragliche Klausel nicht verstanden und sie nicht zur Kenntnis nehmen können.

Die Entscheidung

Es bestand keine allgemeine Pflicht des Arbeitgebers, den Arbeitsvertrag unaufgefordert in Portugiesisch zu übersetzen. Eine analoge Anwendung des § 305 Abs. 2 BGB scheidet aus, die Regelung nach § 310 Abs. 4 S. 2 BGB kommt bei Arbeitsverträgen nicht zur Anwendung.

Aus dem Urteil

[...] § 305 BGB regelt die Einbeziehung allgemeiner Geschäftsbedingungen in den Vertrag. Gemäß § 305 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB werden allgemeine Geschäftsbedingungen nur dann Bestandteil eines Vertrags, wenn der Verwender bei Vertragsschluss die andere Vertragspartei erkennbar auf diese hinweist und der anderen Vertragspartei die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen. Diese Regelung kommt jedoch nach § 310 Abs. 4 S. 2 BGB bei Arbeitsverträgen nicht zur Anwendung. Der Gesetzgeber hat kein Bedürfnis für eine Einbeziehungskontrolle gesehen aufgrund der bereits bestehenden Verpflichtungen des Arbeitgebers aus § 2 NachwG, die wesentlichen Vertragsbestimmungen schriftlich auszuhändigen (BT-Ds. 14/6857, S. 54). Wegen dieser klaren gesetzgeberischen Entscheidung scheidet auch eine analoge Anwendung des § 305 Abs. 2 BGB aus. Die Einbeziehung von AGB in den Arbeitsvertrag richtet sich daher allein nach §§ 145 ff BGB (Erfurter Kommentar-Preis, 11. Aufl., BGB §§ 305-310 Rn. 28; LAG Niedersachsen 18.03.2005 – 10 Sa 1990/04 – zitiert nach juris, Rn. 32). Es genügt jede, auch stillschweigende Willensübereinkunft [...]

Durch seine Vertragsunterschrift hat der Arbeitnehmer das Angebot der Beklagten einschließlich der Ausschlussfrist vorbehaltlos angenommen. Die Ausschlussfristenregelung ist daher Vertragsbestandteil geworden.

Weiter heißt es in dem Urteil: [...] Es besteht keine allgemeine Pflicht des Arbeitgebers, den Arbeitsvertrag unaufgefordert in die Muttersprache des Arbeitnehmers zu übersetzen (Hessisches LAG, 11.09.1986 – 9 Sa 421/86 – zitiert nach juris). Eine generelle Übersetzungspflicht für Schriftstücke, die von fremdsprachlichen Arbeitnehmern unterzeichnet werden sollen, ist dem geltenden Recht nicht zu entnehmen (Hessisches LAG, 01.04.2003 – 13 Sa 1240/02 – zitiert nach juris, Rn. 47). Dies gilt insbesondere, wenn sich die Vertragsparteien auf die deutsche Sprache als Verhandlungs- und Vertragssprache einigen (LAG Niedersachsen a.a.O. Rn. 34; BGH 10.03.1983 - VII ZR 302/82 – BGHZ 87, 112). Lässt sich der ausländische Partner hierauf ein, so akzeptiert er damit den gesamten deutschsprachigen Vertragsinhalt einschließlich der zugrundeliegenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Es ist ihm zuzumuten, sich vor Abschluss des Vertrags selbst die erforderliche Übersetzung zu beschaffen. Anderenfalls muss er den nicht zur Kenntnis genommenen Text der Geschäftsbedingungen gegen sich gelten lassen. [...]

Gericht:
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 02.02.2012 - 11 Sa 569/11

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