Wer fortlaufend gegenüber dem weiblichen Personal anzügliche Bemerkungen macht und dann noch der Chefin in Anwesenheit der Kollegen unterstellt, sie habe mit dem Geschäftpartner die Nacht verbracht, muss mit einer Kündigung rechnen, auch wenn später festgestellt wird, dass wegen einer Depression schuldlos gehandelt wurde.

Auch schuldlose Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers können ausnahmsweise einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung darstellen.

Der Sachverhalt

Ein 52-jähriger Arbeitnehmer ist seit 25 Jahren in einem Zuliefererbetrieb für die Automobilbranche als Sachbearbeiter beschäftigt. Nach der Trennung von seiner Familie befand er sich kurzfristig Mitte 2008 in ambulanter psychologischer Behandlung. Von Ende 2008 bis Mitte 2009 war er aufgrund eines psychischen Zusammenbruchs arbeitsunfähig. Gegenüber dem weiblichen Personal machte er ständig anzügliche Bemerkungen und wurde deswegen am 08.02.2010 vom Arbeitgeber ermahnt. Zwei Tage später beleidigte er die Vorgesetzte und weitere Arbeitnehmerinnen mit den Worten "Besser eine Frau mit Charakter, als drei Schlampen".

Noch im gleichen Monat forderte er seine Kollegen und Kolleginnen trotz der Mittagspause auf, zu bleiben, da er gleich eine "Bombe platzen" lassen würde. Als seine Vorgesetzte erschien, behauptete er, dass sie die Nacht bei einem Geschäftspartner verbracht habe. Er habe ihr Auto gesehen und sie, die Vorgesetzte, wisse ja, dass der Mann HIV positiv sei und was sie sich damit jetzt eingefangen habe. Sowohl die Vorgesetzte als auch der Mann stritten dies ab und stellten gegen den Arbeitgeber Strafanzeige wegen Verleumdung. Der Arbeitgeber kündigte ihm aufgrund dieses Vorfalles fristlos.

Das Arbeitsgericht Neumünster wies die Kündigungsschutzklage zurück. Im Berufungsverfahren wandte der mittlerweile unter Betreuung stehende Kläger lediglich ein, dass während eines Klinikaufenthalts im April und Mai 2010 festgestellt worden sei, dass er manisch-depressiv sei und auch am 25.02.2010 schuldlos gehandelt habe. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Die Entscheidung

Zur Begründung hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, dass es nicht darauf ankommt, ob die Vorgesetzte tatsächlich bei dem Geschäftspartner übernachtet hat, denn aufgrund der konkreten Umstände und der süffisanten Diktion der klägerischen Unterstellungen hat er seine Vorgesetzte grob beleidigt. Er hat nicht nur eine Tatsachenbehauptung aufgestellt, sondern wollte die Vorgesetzte gezielt bloßstellen, indem er vermeintliche Intimitäten in deren Anwesenheit den Kollegen gegenüber preisgibt.

Der Kläger ist bereits einschlägig abgemahnt worden

Zwar setzt eine verhaltensbedingte fristlose Kündigung in der Regel ein schuldhaftes Verhalten des Arbeitnehmers voraus. Indessen ist es der Beklagten nicht zumutbar, die durch den Kläger andauernd sexuell gefärbte grobe Beleidigungen verursachte erhebliche Störung des Betriebsfriedens und der betrieblichen Ordnung auch künftig hinzunehmen, selbst wenn der Kläger am 25.02.2010 schuldlos gehandelt haben sollte.

Gericht:
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 09.06.2011 - 5 Sa 509/10

Rechtsindex, Pressemitteilung des LAG vom 17.06.2011