Urteil: Die Kündigung eines Arbeitnehmers wegen der unberechtigten Einlösung einer Essensmarke ist unwirksam. Trotz einer erheblichen Pflichtverletzung des Mitarbeiters, hätte hier vorher abgemahnt werden müssen.

Der Sachverhalt

Einem 35-jährigen Sachbearbeiter wurde die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung ausgesprochen, nachdem dieser das Mittagessen seiner Lebensgefährtin mit einer Essensmarke bezahlt hatte, die er sich zuvor von einem Arbeitskollegen erbeten hatte.

Das Unternehmen gibt den Mitarbeitern monatlich jeweils 15 Essensmarken aus, die zum Erhalt eines Essenszuschusses von je 0,80 EUR berechtigen. Die Marken werden auf den Namen des jeweiligen Mitarbeiters ausgestellt und enthalten den Hinweis, dass pro Tag nur eine Essensmarke eingelöst werden darf und diese nicht übertragbar sind. Da der Mitarbeiter auch die auf den Namen seines Arbeitskollegen ausgestellte Essensmarke für die Bezahlung des Mittagessens seiner Freundin einlöste, sah der Arbeitgeber in der Vorgehensweise einen erheblichen Vertrags- und Vertrauensverstoß begründet und hielt die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für unzumutbar.

Die Entscheidung

Das Arbeitsgericht Reutlingen folgte dieser Argumentation nicht und hat die vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung für unwirksam erklärt. Nach Ansicht der Richter hat der Kläger zwar bewusst gegen das Verbot verstoßen, Essensmarken anderen Personen zu übertragen, um sich einen ihm nicht zustehenden Vermögensvorteil zu verschaffen. Er hat jedoch nicht planmäßig mit der Absicht gehandelt, das Vermögen des Arbeitgebers zu schädigen. so dass das Gericht trotz der erheblichen Pflichtverletzung des Klägers den Ausspruch einer Kündigung ohne vorherige Abmahnung als unwirksam angesehen hat.

Der Unternehmer überlegt jetzt, ob er gegen das Urteil Rechtsmittel einlegt.

Gericht:
Arbeitsgericht Reutlingen, Urteil vom 11.05.2010 (2 Ca 601/09)

Rechtsindex (ka)
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