Urteil: Nicht jede eigenmächtige Wegnahme von Arbeitgebereigentum kann eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Es kommt immer auf die Umstände des Einzelfalls an. Dies musste ein Arbeitgeber vor dem Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein erfahren.

Der Sachverhalt

In einem Metallbetrieb des beklagten Arbeitgebers wurden im Jahr 2007 30 Jahre alte Werkbänke ausgesondert und durch Neue ersetzt. Die alten Werkbänke wurden den Mitarbeitern angeboten, jedoch bestand hier kein Bedarf. Diese wurden dann zur Entsorgung jahrelang zwischengelagert. Beim klagenden 40jährigen Arbeitnehmer, der seit mehr als 12 Jahren im Betrieb ist, ergab sich im ersten Quartal 2009 eine private Nutzungsmöglichkeit für einen Teil einer solchen alten Werkbank. Er meldete seinen Bedarf beim Vorgesetzten und beim die Kaffeekasse führenden Betriebsratsvorsitzenden an, wobei der Inhalt der Gespräche umstritten ist.

Kurz darauf lud der klagende Arbeitnehmer für alle sichtbar den von ihm benötigten Teil der Werkbank in den Anhänger seines privaten PKWs. Dabei wurde er von der Geschäftsleitung beobachtet und zur Rede gestellt. Der Arbeitgeber hat den Vorgang zum Anlass genommen, das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich zu kündigen.

Die Entscheidung

Die Richter des Landesarbeitsgericht sahen ebenso wie bereits die Vorinstanz keinen ausreichenden Kündigungsgrund. Zwar können grundsätzlich unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu Lasten des Arbeitgebers begangene Vermögensdelikte eine fristlose Kündigung rechtfertigen, selbst dann wenn es sich um Sachen von geringem Wert handelt. Jedoch ist stets eine Einzelfallabwägung erforderlich, die hier zu Gunsten des klagenden Arbeitnehmers ausgeht. Hier hätte eine Abmahnung ausgereicht, um eine Wiederholung des beanstandeten Arbeitnehmerverhaltens auszuschließen.

Arbeitnehmer hat nicht heimlich gehandelt

Bei der Abgabe von ausgesonderten Gegenständen an Mitarbeiter erkannte das Landesarbeitsgericht beim Arbeitgeber keine stringente Handhabung in der gelebten Praxis. Der Arbeitnehmer hat aus Sicht des Gerichts völlig offen eben diesen Weg der gelebten Praxis eingeschlagen und das Werkbankteil vor den Augen aller mitgenommen. Damit beging er zwar eine Eigenmächtigkeit, wollte aber keine Bereicherung und auch keine rechtswidrige Entreicherung des Arbeitgebers. Desweiteren berücksichtigte das Gericht, dass dem Arbeitgeber wirtschaftlich kein Schaden entstehen konnte, da das vom klagenden Arbeitnehmer aufgeladene Teil aus Sicht des Arbeitgebers wertloser störender Müll war und erst wieder einen Wert bekam, als es auf dem Hänger des Arbeitnehmers gesehen wurde. Die sofortige Rückgabe des Werkbankteils, die Beschreitung des offiziellen Genehmigungsweges und das Fehlen jeglicher Heimlichtuerei wertete das Gericht als Ausdruck einer auf Korrektheit und Ehrlichkeit ausgerichteten Grundhaltung des Klägers.

Das Landesarbeitsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Vorinstanz:
Arbeitsgericht Elmshorn, Urteil vom 17.07.2009, 2 Ca 723 c/09

Gericht:
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 13.01.2010, 3 Sa 324/09

Rechtsindex (ka) | Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
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