Wird eine Fahrerlaubnis in einem EU-Mitgliedstaat erworben, muss zum Zeitpunkt der Erteilung der Fahrerlaubnis das Wohnsitzerfordernis erfüllt sein. Das heißt, mindestens 185 Tagen im Kalenderjahr müssen erfüllt sein. Ein mehr als ein Jahr zuvor beendeter Aufenthalt kann dabei nicht berücksichtigt werden.

Der Sachverhalt

Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung, dass seine in Polen erworbene Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland keine Gültigkeit habe. Der Kläger wurde in Deutschland mehrfach seine Fahrerlaubnisse wegen Trunkenheitsfahrten entzogen. In Polen erwarb er eine Fahrerlaubnis der Klasse B.  Im dort ausgestellten Führerschein ist als Wohnsitz ein polnischer Ort eingetragen.

Als der Beklagte davon Kenntnis erhielt, stellte er fest, dass diese Fahrerlaubnis den Kläger nicht berechtige, Kraftfahrzeuge in Deutschland zu führen. Wegen Verstoßes gegen das unionsrechtliche Wohnsitzerfordernis gemäß § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV sei die Anerkennung versagt. Die Klage vor dem VG und OVG blieben ohne Erfolg.

Die bei der polnischen Gemeinde eingeholte Auskunft habe ergeben, dass der Kläger vom  31. Januar 2008 bis zum 21. August 2008 und vom 16. Juni 2009 bis zum 14. September 2009 gemeldet gewesen sei. Damit lägen aus dem Ausstellermitgliedstaat herrührende unbestreitbare Informationen vor, dass der Kläger im Jahr 2009, dem Jahr der Fahrerlaubniserteilung, seinen ordentlichen Wohnsitz entgegen der Eintragung im Führerschein nicht in Polen, sondern in Deutschland gehabt habe. Die für das Jahr 2009 dokumentierte Aufenthaltsdauer von 91 Tagen reiche für die Annahme eines ordentlichen Wohnsitzes in Polen im Sinne von Artikel 12 der Richtlinie 2006/126/EG nicht aus.

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts

Gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2006/126/EG darf ein Führerschein nur an Bewerber ausgestellt werden, die im Hoheitsgebiet des den Führerschein ausstellenden Mitgliedstaates ihren ordentlichen Wohnsitz haben oder aber - was im Fall des Klägers nicht in Rede stand - nachweisen können, dass sie während eines Mindestzeitraums von sechs Monaten dort studiert haben. Nach Art. 12 Abs. 1 dieser Richtlinie gilt als ordentlicher Wohnsitz der Ort, an dem ein Führerscheininhaber wegen persönlicher oder beruflicher Bindungen oder - im Falle eines Führerscheininhabers ohne berufliche Beziehungen - wegen persönlicher Bindungen, die enge Beziehungen zwischen dem Führerscheininhaber und dem Wohnort erkennen lassen, gewöhnlich, d.h. während mindestens 185 Tagen im Kalenderjahr wohnen.

Wohnsitzes im Ausstellermitgliedstaat erfordert einen Aufenthalt von 185 Tagen im Kalenderjahr

Ein solches Wohnsitzerfordernis kannte auch bereits die Richtlinie 91/439/EWG ("2. EU-Führerscheinrichtlinie"). In der Rechtsprechung ist geklärt, dass diese Voraussetzung zum Zeitpunkt der Erteilung der Fahrerlaubnis erfüllt sein muss (vgl. u.a. EuGH, Beschluss vom 9. Juli 2009 - Rs. C-445/08, Wierer - NJW 2010, 217 Rn. 51: "zum Zeitpunkt der Ausstellung dieses Führerscheins"); davon geht auch § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV aus. Somit ist hier in Bezug auf die geforderte Aufenthaltsdauer auf den 27. August 2009 abzustellen. Daraus folgt zugleich, dass der dem Kläger von der polnischen Gemeinde für die Zeit vom 31. Januar 2008 bis zum 21. August 2008 bescheinigte Aufenthalt außer Betracht bleiben muss, der bereits mehr als ein Jahr zuvor beendet war. Soweit der Kläger auf die Zielsetzung der 185-Tage-Frist abstellt, die aus seiner Sicht dazu dient, es der Fahrerlaubnisbehörde zu ermöglichen, ausreichende Erkenntnisse über den Führerscheinbewerber zu sammeln, was im Hinblick auf den zurückliegenden Aufenthalt auch bei ihm möglich gewesen sei, übergeht er, dass Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG für die Bejahung eines ordentlichen Wohnsitzes im Ausstellermitgliedstaat nicht nur einen Aufenthalt von 185 Tagen, sondern einen Aufenthalt von 185 Tagen im Kalenderjahr verlangt.

Gericht:
Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 22.10.2014 - 3 B 21.14

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