In zwei schriftlichen Abiturprüfungen gab ein Schüler die Anzahl der Wörter falsch an, die tatsächlich geringer ausfielen. Der Prüfungsausschuss sah darin eine "schwerwiegende Täuschungshandlung" und lehnte den Schüler zur mündlichen Prüfung ab. Zu Unrecht, wie jetzt das VG Darmstadt feststellte.

Der Sachverhalt

Hintergrund dieser Entscheidung war, dass der Schüler am Ende von zwei schriftlichen Abiturprüfungsarbeiten im März 2014 die Anzahl der Wörter seiner Lösungen im Leistungskurs Biologie mit 2149 Wörtern statt tatsächlich 1679 Wörtern und im Grundkurs Geschichte mit 1755 Wörtern statt tatsächlich 1484 Wörtern angegeben hatte.

Der Schüler begehrt die Zulassung zur mündlichen Abiturprüfung. Der Prüfungsausschuss des Schuldorfes Bergstraße lehnte dies ab, weil ihm eine "schwerwiegende Täuschungshandlung" im Sinne von § 30 der Oberstufen- und Abiturverordnung des Landes Hessen (OAVO) vorzuwerfen sei.

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Darmstadt (3 L 890/14.DA)

In seiner Entscheidung führt das Gericht aus, die fehlerhafte Angabe der Anzahl der Wörter in den schriftlichen Abiturprüfungsarbeiten stelle keine schwerwiegende Täuschungshandlung im vorgenannten Sinne dar, die das Feststellen des Nichtbestehens der Abiturprüfung rechtfertigen könne.

Verwaltungsvorschriften haben keine Rechtsnormqualität

So komme eine Täuschungshandlung nur dann in Betracht, wenn das Zählen der Wörter aufgrund der Bestimmungen der vorgenannten Oberstufen- und Abiturverordnung eine Obliegenheit der Prüflinge wäre. Eine solche Obliegenheit könne aber weder § 30 OAVO noch einer anderen Vorschrift dieser Rechtsverordnung entnommen werden. Soweit sich eine entsprechende Obliegenheit lediglich aus einem ministeriellen Erlass ergäbe, sei dies nicht ausreichend, weil einem bloßen Erlass bzw. einer Verwaltungsvorschrift keine Rechtsnormqualität zukomme.

Keine schwerwiegende Täuschungshandlung

Unabhängig davon stelle die fehlerhafte Angabe der Wortanzahl auch nicht einen "schweren Fall" im Sinne von § 30 Abs. 2 Nr. 2 OAVO dar. Vielmehr sei vorliegend die eigentliche Prüfungsleistung, also die Lösung der gestellten Prüfungsaufgabe, ohne unerlaubte Hilfsmittel eigenständig erbracht worden, so dass die Sanktion zu dem Vorwurf, der dem Prüfling gemacht worden sei, in keinem angemessenen Verhältnis stehe.

Rechtsgrundlage

§ 30 Oberstufen- und Abiturverordnung lautet auszugsweise wie folgt:

(1) Benutzt eine Prüfungsteilnehmerin oder ein Prüfungsteilnehmer unerlaubte Hilfsmittel, begeht eine Täuschung, unternimmt einen Täuschungsversuch oder leistet einer Täuschungshandlung Vorschub, entscheidet der Prüfungsausschuss nach Klärung des Sachverhalts und Anhörung der Prüfungsteilnehmerin oder des Prüfungsteilnehmers, der Tutorin oder des Tutors und der aufsichtsführenden Lehrkraft möglichst noch am gleichen Tag über die weiteren Maßnahmen.

(2) Folgende Maßnahmen kommen in Betracht

2. In schweren Fällen wird die Prüfung als "nicht bestanden" erklärt, vor allem wenn die Täuschung oder der Täuschungsversuch vorbereitet war.

Gericht:
Verwaltungsgericht Darmstadt, Beschluss vom 23.05.2014 - 3 L 890/14.DA

VG Darmstadt, PM
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