Ein Busfahrer, der für einen Verein Kinder und Eltern aus Weißrussland in die Pfalz und anschließend wieder zurück in die Heimat fährt, genießt auch dann den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung in Deutschland, wenn er im Ausland (hier bei Minsk in Weißrussland) verunglückt. Die bereits am 18. Mai 2004 vom Sozialgericht Speyer verkündete Entscheidung (Az. S 1 U 341/03) ist nunmehr rechtskräftig geworden, nachdem sowohl das Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht (Az. L 2 U 237/04) als auch das Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision vor dem Bundessozialgericht in Kassel (Az. B 2 U 215/07 B) abgeschlossen sind.

Der 37 Jahre alte Kläger war bis zu seinem Unfall, um dessen Folgen die Beteiligten stritten, hauptberuflich Busfahrer im Linienverkehr eines Regionalbusunternehmens. In seiner Freizeit bzw. seinem Urlaub war er außerdem als Busfahrer für den Verein "Kinderhilfe Shitkowitschi - Leben nach Tschernobyl e.V." tätig, der seit mehreren Jahren Erholungsaufenthalte für von der Reaktorkatastrophe geschädigte weißrussische Kinder und deren Eltern in der Pfalz organisiert.

Am 15. September 2002 verunglückte der vereinseigene Bus auf der Rückfahrt in die Pfalz bei Minsk, als der Busfahrer, ein Kollege des Klägers (der Kläger war zu diesem Zeitpunkt Beifahrer) infolge einer Unaufmerksamkeit einen langsam vorausfahrenden, evtl. stehenden Lkw übersah und auf diesen auffuhr. Der Kläger wurde eingeklemmt und erlitt schwerste Verletzungen mit bleibenden Folgen (u.a. Amputation des linken Unterschenkels und Versteifungen). Er wurde sowohl in weißrussischen Krankenhäusern als auch in Deutschland lange stationär behandelt.

Die für den Verein zuständige Berufsgenossenschaft lehnte es ab, die gesundheitlichen Folgen des Unfalles und eine Verletztenrente anzuerkennen, weil sich der Unfall im Ausland ereignet habe.

Die Speyerer Richter haben dem Kläger Recht gegeben und entschieden, dass der gesetzliche Unfallversicherungsschutz auch dessen Fahrten außerhalb Deutschlands umfasst und nicht an der Grenze endet.  Nur weil sich der Kläger vorübergehend ins Ausland begeben habe und dort mit dem Bus gefahren sei, habe er seine Beschäftigung im Geltungsbereich des Gesetzes, also in Deutschland, nicht verloren.

Zwar gelten die in inländischen Unfallversicherungsvorschriften grundsätzlich nur für Personen, die in Deutschland beschäftigt sind.  Arbeiten Arbeitnehmer aber im Rahmen eines in Deutschland bestehenden Beschäftigungsverhältnisses im Ausland (sog. Entsendung), besteht auch dafür Versicherungsschutz, wenn die Arbeit infolge der Eigenart der Beschäftigung oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist. Hat also der Arbeitgeber seinen Sitz im Inland und ist sein Arbeitnehmer gehalten, immer wieder an den Betriebssitz zurückzukehren, müssen auch die Unfälle im Ausland von der deutschen Berufsgenossenschaft entschädigt werden.
 
Der Kläger war zum Zeitpunkt des Unfalles für einen Verein tätig, der seinen Sitz in Deutschland hat und der seine Tätigkeit auch im Wesentlichen hier entfaltet. Sinn und Zweck der von diesem Verein gewährten Hilfen ist es, strahlengeschädigten Kindern die in Deutschland vorhandenen, insbesondere medizinischen und kurativen Möglichkeiten zugute kommen zu lassen. Hierfür waren aber die Überführungsfahrten zwischen der Pfalz und Weißrussland zwingend notwendig, die im Übrigen auch über deutsches Gebiet sowie über die Gebiete anderer Länder als Weißrussland führten. Außerdem erhielt der Kläger seine Weisungen auch nicht etwa aus Weißrussland, sondern ausschließlich aus Deutschland.

Quelle: Sozialgericht Speyer
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