Die Rentenberechnung der am 18. Mai 1990 bereits in die Bundesrepublik übergesiedelten ehemaligen DDR-Bürger richtet sich nur für vor dem Jahr 1937 Geborene nach dem Fremdrentengesetz.

Diese im Zuge der Wiedervereinigung durch die Rentenüberleitungsvorschriften erfolgte Stichtagsregelung ist verfassungsgemäß, so der 5. Senat des Hessischen Landessozialgerichts in seinem Urteil.

Der Sachverhalt

Ein ehemaliger DDR-Flüchtling begehrt eine höhere Rente. Der 1947 geborene Kläger war in der ehemaligen DDR als Ingenieur und Betriebsleiter tätig. In Folge seines Ausreiseantrags war er nur noch mit Hilfsarbeitertätigkeiten beschäftigt. Nach seiner Ausreise 1989 ging er 20 Jahre lang einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung in der Bundesrepublik nach. Bei seiner Altersrente bewertete die Beklagte die im Beitrittsgebiet zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten nach den tatsächlich mit rentenrechtlichen Beiträgen belegten Entgelten.

Das Fremdrentengesetz sei nicht anwendbar. Hierauf klagte der in Nordhessen lebende Mann mit der Begründung, dies verstoße gegen das Sozialstaatsprinzip, den Gleich-heitsgrundsatz sowie die grundrechtlich geschützte Eigentumsgarantie.

Das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts

Die Richter des Hessischen Landessozialgerichts gaben der Rentenversicherung unter Bezug auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 14. Dezember 2011 (Az.: B 5 R 36/11 R) Recht. Es gebe keine Rechtsgrundlage dafür, das Fremdrentenrecht für nach 1936 geborene Flüchtlinge und Übersiedler heranzuziehen.

Urteil: Fremdrentenrecht nicht anwendbar

Die Wiedervereinigung habe eine Neuregelung des im Fremdrentengesetz geregelten Kriegsfolgenrechts und eine rentenrechtliche Einheit in West- und Ostdeutschland erforderlich gemacht. Wie im Gebiet der Bundesrepublik bereits vor dem Beitritt sollten auch für Zeiten im Beitrittsgebiet vorrangig die tatsächlich entrichteten individuellen Beiträge maßgebend für die Rentenberechnung sein.

Eine fiktive Bewertung von im Beitrittsgebiet zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten nach dem Fremdrentengesetz anhand der Durchschnittsentgelte der alten Bundesländer habe damit ihre Legitimation verloren. Die in Folge des Einheitsvertrages mit der Abschaffung der Anwendung des Fremdrentenrechts aus Vertrauensschutzgründen eingeführte Stichtagsregelung für "rentennahe Jahrgänge" sei nicht verfassungswidrig.

Gericht:
Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 29.01.2013 - L 5 R 144/12 ZVW

Hessisches LSG, PM Nr. 1/13
Rechtsindex - Recht & Urteil

Rechtsgrundlagen:

§ 256a Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI)

(1) Für Beitragszeiten im Beitrittsgebiet nach dem 8. Mai 1945 werden Entgeltpunkte ermittelt, indem der mit den Werten der Anlage 10 vervielfältigte Verdienst (Beitragsbemessungsgrundlage) durch das Durchschnittsentgelt für dasselbe Kalenderjahr geteilt wird. (...)

(2) Als Verdienst zählen der tatsächlich erzielte Arbeitsverdienst und die tatsächlich erzielten Einkünfte, für die jeweils Pflichtbeiträge gezahlt worden sind, sowie der Ver-dienst, für den Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (...) gezahlt wor-den sind. (...)


§ 259a SGB VI (Stichtagsregelung)

(1) Für Versicherte, die vor dem 1. Januar 1937 geboren sind und die ihren gewöhnlichen Aufenthalt am 18. Mai 1990 oder, falls sie verstorben sind, zuletzt vor dem 19. Mai 1990
1. im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet hatten oder
2. im Ausland hatten und unmittelbar vor Beginn des Auslandsaufenthalts ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet hatten,
werden für Pflichtbeitragszeiten vor dem 19. Mai 1990 anstelle der nach den §§ 256a bis 256c zu ermittelnden Werte Entgeltpunkte aufgrund der Anlagen 1 bis 16 zum Fremdrentengesetz ermittelt; (...).
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