Arbeitnehmer sind während ihrer Arbeit gesetzlich unfallversichert. Dies gilt auch für Personen, die wie Arbeitnehmer tätig sind. Geringfügige und selbstverständliche Hilfe aus Gefälligkeit steht hingegen nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

Der Sachverhalt

Eine Frau half im Rahmen eines Sonntagsausflugs spontan vier Bekannten beim Viehtrieb. Diese trieben fünf Kühe mit Kälbern über die Straße auf eine gegenüberliegende Weide. Bei dieser Tätigkeit wurde die Frau von einem Motorrad erfasst und erlitt mehrere Knochenbrüche. Jahre später klagt die Frau über noch andauernde Funktionseinschränkungen am rechten Arm/rechter Hand und vor allem am linken Bein, wo sie mittlerweile zehnmal operiert worden sei.

Bei der Berufsgenossenschaft beantragte sie die Anerkennung als Arbeitsunfall. Dies lehnte die Berufsgenossenschaft jedoch ab, weil die Verletzte keine dem landwirtschaftlichen Unternehmen wesentlich dienende Tätigkeit erbracht habe.

Die Entscheidung


Selbstverständliche Hilfeleistung ist keine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit. Die Richter beider Instanzen gaben der Berufsgenossenschaft Recht. Zwar könnten auch unentgeltliche Tätigkeiten arbeitnehmerähnlich sein. Es müsse sich jedoch um eine Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert handeln. Nach ihren eigenen Angaben wollte die Klägerin ihren langjährig Bekannten etwa fünf Minuten beim Viehtrieb helfen.

Dies sei im Sinne einer üblichen, geringfügigen und alltäglichen Gefälligkeit ein geradezu selbstverständlicher Hilfsdienst gewesen. Ähnlich sei dies einem Botengang über die Straße zur Übermittlung einer Nachricht an den Nachbarn oder der Einweisung eines Nachbarn in die Garage. All dies seien jedoch unversicherte Hilfeleistungen, die mit einer aus einem Arbeitsverhältnis geschuldeten Tätigkeit nicht vergleichbar seien.

Dazu schreibt das Gericht in ihr Urteil folgendes:

[...] Ihre Tätigkeit ist vergleichbar dem Botengang über die Straße zur Übermittlung einer Nachricht an den Nachbarn (BSG SozR 2200 § 539 RVO Nr. 57) oder der Einweisung eines Nachbarn in die Garage (dazu Riebel, a.a.O., Anmerkung 283 unter Hinweis auf ein Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 28. Februar 1979, Az.: L 2 Ua 1498/78), wobei die Rechtsprechung in beiden Fällen von jeweils unversicherten Hilfeleistungen ausgegangen ist. Im Vergleich zu Baumausastungsarbeiten während dreier Tage als nachbarschaftliche, unversicherte Mithilfe (Urteil des LSG Schleswig- Holstein in Breithaupt 2005, 480) waren die Hilfeleistungen der Klägerin deutlich weniger zeitaufwändig und auch nicht gefährlicher. Sie entspricht beispielsweise dem Absägen einiger Äste, die ein Schwager in wenigen Minuten verrichtete, und die als unversicherte Handlung angesehen wurde (BSG SozR 2200 § 539 RVO Nr. 66). Auch die tägliche Betreuung eines Hundes für die Dauer von fünf Minuten, wobei dieser die Betreuerin biss, ist in der Rechtsprechung als nachbarschaftliche unversicherte Hilfeleistung beurteilt worden, ebenso das Versorgen von fünf Schweinen und fünfzehn Hühnern während des Urlaubes des Schwagers (BSG SozR 2200 Nr. 55 zu § 539 RVO). Die erbetene Hilfeleistung war danach in einem nordhessischen Dorf unter einander gut und langjährig bekannten – wenn auch nicht befreundeten – Familien zu erwarten, wobei die Klägerin und ihr Ehemann jederzeit die Mithilfe hätten ablehnen und weitergehen können, was der Klägerin nicht in den Sinn kam, die ihre Einstellung zur gefälligen Mithilfe schon bei anderer Gelegenheit demonstriert hatte. Das konkret helfende Handeln der Klägerin war danach bestimmt von der Bekanntschaft und dem guten Verhältnis zur Familie C. und nicht einem Arbeitnehmerhandeln vergleichbar, so dass die erstinstanzliche Entscheidung zu bestätigen und die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückzuweisen war. [...]

Rechtsgrundlagen:
§ 2 Abs 1 Nr 1 SGB 7, § 2 Abs 2 S 1 SGB 7

Themenindex:
Unfallversicherungsschutz, Wie-Beschäftigung

Gericht:
Landessozialgericht Hessen, Urteil vom 28.06.2011 - L 3 U 134/09

Quelle: Hessisches Landessozialgericht
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