Im vorliegenden Zivilprozess ging es wieder um die Frage, ob die vorgelegten Videoaufnahmen des Unfalles in rechtlicher Hinsicht verwertet werden dürfen. Die Videoaufnahmen wurden mit einer Dashcam erstellt, die 15 Sekunden vor und nach der Kollision dauerhaft speichert.

Der Sachverhalt

Im vorliegenden Fall beabsichtigte der PKW-Fahrer an der Kreuzung nach links abzubiegen. Von links kam der Linienbus, der angeblich nach rechts blinkte und sich mit verlangsamter Geschwindigkeit dem Kreuzungsbereich näherte. Tatsächlich fuhr der Linienbus geradeaus und es kam zwischen dem linksabbiegenden PKW zur Kollision.

Dashcam bringt die Wahrheit ans Licht

Der Linienbus war mit einer Dashcam ausgestattet. Die Dashcam war mit einem G-Sensor ausgestattet, der in bestimmten Fahrsituationen (starke Bremsung ab ca. 5 m/sek2, starke Seitenfliehkräfte, Kollision) die Speicherung auslöst. Es werden dann 15 Sekunden vor und 15 Sekunden nach des auslösenden Moments gespeichert. Soweit keine Auslösung erfolgt, überschreibt das Gerät alle 30 Sekunden endgültig die Daten, welche auch nicht mehr rekonstruierbar sind.

Der PKW-Fahrer verlangt als Kläger Schadensersatz und wendet u.a. ein, dass die von der Beklagtenseite vorgelegten Videoaufnahmen des Unfalles in rechtlicher Hinsicht unverwertbar seien.

Die Entscheidung des Landgerichts Traunstein

Nach Auffassung des Landgerichts Traunstein (Urteil, Az. 3 O 1200/15) sind die Kameraaufnahmen einer Dashcam, die technisch so gestaltet ist, dass sie nur die 15 Sekunden vor und nach einem "auslösenden Ereignis" (starke Bremsung, starke Seitenfliehkräfte, Kollision) dauerhaft speichert und die sonstigen Aufnahmen ohne auslösendes Ereignis alle 30 Sekunden endgültig und nicht mehr rekonstruierbar überschreibt, im Zivilprozess verwertbar.

Aus den Urteilsgründen

Die Zulässigkeit von sog. "Dashcam - Aufzeichnungen" wird in der Rechtsprechung und Literatur kritisch und nicht einheitlich gesehen. Soweit ersichtlich geht derzeit die überwiegende Rechtsprechung von einer Unverwertbarkeit derartiger Aufnahmen aus. Als entscheidende Argumente werden hierbei Verstöße gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art 1 Abs.1 GG sowie gegen § 6 b Abs. 1 Nr. 3 BDSG und § 22 Satz 1 KUG angeführt. Hierbei werden vor allem im Rahmen der Einschränkbarkeit des Grundrechtes auf informationelle Selbstbestimmung konkurrierende Grundrechte Dritter diskutiert sowie, dass im Rahmen der Abwägung der widerstreitenden Interessen auf Seiten des Verwenders der Kamera das Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG zu berücksichtigen sei.

Dem Interesse der Zivilrechtspflege solle nicht generell ein überwiegendes Gewicht zukommen; vielmehr müssten weitere Gesichtspunkte hinzutreten, welche das Interesse an der Beweiserhebung trotz Rechtsverletzung als schutzwürdig erscheinen lassen würden. Im strafrechtlichen Bereich sei dies zumeist unter Annahme einer Notwehrsituation oder notwehrähnlichen Lage anzunehmen. Auch die Erforderlichkeit der "Überwachung" spiele eine entscheidende Rolle.

In dem Standardfall der Dashcam wird davon ausgegangen, dass durch die heimlichen Aufnahmen eine permanente Aufzeichnung einer Vielzahl von Personen in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht betroffen wird und es erfolge auch keine "anlassbezogene" Aufzeichnung sowie keine nur örtlich beschränkte, wie bei einer fest installierten Anlage an einem bestimmten Ort. Eine ähnliche Abwägung wird auch im Rahmen des § 6 b Abs. 1 Nr. 3 BDSG und § 22 S. 1, 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG vorgenommen.

Anlassbezogene Aufzeichnung

Im vorliegenden Fall wurde durch die vorgenommene technische Gestaltung - dauerhafte Speicherung von nur 30 Sekunden anlassbezogen und regelmäßige schnelles Überschreiben der sonstigen Aufnahmen - gewährleistet, dass der Eingriff in die Grundrechte der Aufgezeichneten möglichst mild ausfällt und somit bei der gebotenen Abwägung der widerstreitenden Interessen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung hinter das des Aufzeichnenden im Hinblick auf sein zivilrechtliches Beweissicherungsinteresse im Lichte des Rechtsstaatsprinzips, dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG und dem Anspruch auf rechtliches Gehör, welches aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt, zurücktritt und zu einer Verwertbarkeit der Videoaufzeichnung im vorliegenden Falle führt.

Gericht:
Landgericht Traunstein, Urteil vom 01.07.2016 - 3 O 1200/15

LG Traunstein
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