Der Angeklagte befuhr im Juli 2014 mit einem nicht angemeldeten Motorroller öffentliche Straßen, nachdem er an dem Fahrzeug das für das Jahr 2009 gültige Versicherungskennzeichen angebracht hatte. Das Amtsgericht verurteilte ihn u.a. wegen Urkundenfälschung. Zu Recht?

Aus dem Beschluss des OLG Koblenz

Die von der Strafkammer getroffenen Feststellungen tragen eine Verurteilung wegen § 267 Abs. 1 StGB (Urkundenfälschung) nicht. Versicherungskennzeichen sind gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 FZV dazu bestimmt, den Nachweis für das Bestehen eines dem Pflichtversicherungsgesetz entsprechenden Haftpflichtversicherungsvertrags zu erbringen.

Der Versicherer händigt das Versicherungskennzeichen dem Versicherungsnehmer nicht zur beliebigen Verwendung, sondern ausschließlich zur Anbringung an dem im Versicherungsvertrag bezeichneten Fahrzeug aus. Dies bedeutet, dass der Versicherungsnehmer bei der Anbringung des Versicherungskennzeichens als verlängerter Arm des Versicherers tätig wird und auf Grund der ihm vom Versicherer erteilten Ermächtigung Versicherungskennzeichen und versichertes Fahrzeug zu einer Urkunde verbindet.

Dementsprechend betrachtet die Verkehrsauffassung ein an einem Fahrzeug angebrachtes Versicherungskennzeichen als Erklärung des Versicherers mit dem Inhalt, dass gerade für dasjenige Fahrzeug, an dem sich das Kennzeichen befindet, ein Haftpflichtversicherungsvertrag abgeschlossen ist. Hieraus folgt, dass der Versicherungsnehmer (oder ein Dritter), der in Überschreitung der ihm vom Versicherer erteilten Ermächtigung (oder überhaupt ohne solche Ermächtigung) ein Versicherungskennzeichen an einem anderen Fahrzeug als demjenigen anbringt, für das es ausgegeben wurde, den Tatbestand der Urkundenfälschung verwirklicht (BayObLG, RReg 1 St 13/77 v. 29.04.1977 - BayObLGSt 1977, 74).

Es wurden keine Manipulationen am Versicherungskennzeichen festgestellt

Der Angeklagte benutzte das ausgegebene Versicherungskennzeichen des Jahres 2009 (Jahresfarbe blau, vgl. § 27 Abs. 1 S. 1 FZV) zum Tatzeitpunkt am 28. Juli 2014 weiter. Dass er Manipulationen an dem Kennzeichen vornahm, um den Anschein zu erwecken, die Versicherung habe ihm das Kennzeichen für das Jahr 2014 erteilt, hat die Kammer nicht festgestellt. Es handelt sich damit zwar um eine zusammengesetzte Urkunde, diese hat der Angeklagte jedoch nicht verfälscht, da er den Erklärungsinhalt - das Vorliegen eines Haftpflichtversicherungsvertrages für das Jahr 2009 - nicht verändert hat.

Wann wäre es Urkundenfälschung?

Sollte sich jedoch herausstellen, dass der Angeklagte das Kennzeichen durch Abänderung der Jahresfarbe in die für das Jahr 2014 gültige Jahresfarbe (Schwarz, vgl. § 27 Abs. 1 S. 1 FZV) manipulierte, um den Anschein zu erwecken, es bestehe ein Versicherungsschutz zum Tatzeitpunkt, dann wäre er auch wegen Urkundenfälschung zu bestrafen.

Keine Strafbarkeit wegen Kennzeichenmissbrauchs

Eine Strafbarkeit wegen Kennzeichenmissbrauchs nach § 22 StVG kommt nicht in Betracht, weil es sich bei Versicherungskennzeichen nicht um amtliche Kennzeichen im Sinne dieser Vorschrift handelt (König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl. StVG § 22 Rn. 1).

Gericht:
Oberlandesgericht Koblenz, Beschluss vom 19.05.2016 - 2 OLG 4 Ss 158/15

OLG Koblenz
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