Wann fährt man vorsätzlich, d.h. wissentlich und willentlich, zu schnell und wann nur fahrlässig, etwa weil man gerade einmal nicht auf die Geschwindigkeit geachtet hat? Das hängt von der inneren Einstellung des Fahrers ab, die nur der betroffene Fahrer selbst kennt. Der Richter kann sie aber aus äußeren Umständen der Tat, sog. Indizien, schließen.

Der Sachverhalt

Der 55-jährige Betroffene überschritt die innerörtliche zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h bei einem Überholmanöver um 28 km/h, wobei sein Fahrzeug dabei von der Polizei mittels einer Lasermessung erfasst und so die Geschwindigkeitsüberschreitung festgestellt wurde.

Das Amtsgericht Höxter ahndete den Verstoß mit einem Bußgeld von 300 Euro (Urteil vom 01.03.2016, Az.11 OWi 301/15) und verhängte damit eine Geldbuße, die deutlich über dem im Bußgeldkatalog für derartige Geschwindigkeitsüberschreitungen vorgesehen Betrag von 100 Euro liegt. Dabei ging das Amtsgericht von einer vorsätzlichen Begehung aus und berücksichtigte zu Lasten des Betroffenen zudem seine Voreintragungen. Dagegen legte der Betroffene Rechtsbeschwerde ein.

Die Entscheidung

Die vom Betroffenen gegen seine Verurteilung eingelegte Rechtsbeschwerde hat das Oberlandesgericht Hamm mit Beschluss (4 RBs 91/16) als unbegründet verworfen. Der Betroffene sei, so der 4.Senat, zu Recht wegen einer vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt worden.

Vorsätzliche Geschwindigkeitsüberschreitung

Bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung handele vorsätzlich, wer die Geschwindigkeitsbeschränkung kenne und bewusst dagegen verstoße. Der Grad der Überschreitung könne ein starkes Indiz für vorsätzliches Handeln sein, wobei es auf das Verhältnis zwischen der gefahrenen und der vorgeschriebenen Geschwindigkeit ankomme.

Gericht: 40% über der zulässigen Höchstgeschwindigkeit begründet vorsätzliches Handeln

Insoweit gehe der Senat - in Übereinstimmung mit anderer obergerichtlicher Rechtsprechung - von dem Erfahrungssatz aus, dass einem Fahrzeugführer die erhebliche Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit aufgrund der Fahrgeräusche und der vorüberziehenden Umgebung jedenfalls dann nicht verborgen bleibe, wenn er die zulässige Höchstgeschwindigkeit um mehr als 40 % überschreite. So verhalte es sich im vorliegenden Fall.

Gericht: Betroffene überschritt zulässige Höchstgeschwindigkeit um mehr als 50%

Dem Betroffenen sei die innerorts zulässige Geschwindigkeit aufgrund der örtlichen Beschilderung bekannt gewesen. Im Zeitpunkt der polizeilichen Kontrolle habe er sie - zudem ein anderes Fahrzeug überholend - um mehr als 50 % überschritten. Allein dieser Umstand rechtfertige die Annahme eines vorsätzlichen Verstoßes, den der Tatrichter nicht mit weitergehenden Feststellungen begründen müsse.

Gericht:
Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 10.05.2016 - 4 RBs 91/16

OLG Hamm, PM
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