Ein Autofahrer erhielt wegen Missachtens des Rotlichts einer Ampel, die mindestens schon 6 Sekunden Rot zeigte, eine Geldbuße und ein Fahrverbot. Das Amtsgericht konnte die Tat ausschließlich aufgrund einer Dashcam-Aufzeichnung nachweisen, die ein anderer Verkehrsteilnehmer zunächst anlasslos aufgenommen hatte.

Der Sachverhalt

Das Amtsgericht Reutlingen hatte gegen den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit des Missachtens des Rotlichts einer Ampel eine Geldbuße von 200 Euro und ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde.

Er greift insbesondere die Verwertung einer von einem Zeugen mittels einer Dashcam gefertigten Videoaufnahme an. Die Kameraaufzeichnung lief bereits seit Fahrtbeginn des Zeugen und anlasslos über die gesamte Fahrtstrecke. Das Amtsgericht hat im vorliegenden Fall kein Beweisverwertungsverbot angenommen.

Die Entscheidung des OLG Stuttgart

Das Oberlandesgericht Stuttgart (Az. 4 Ss 543/15) hat dieses Urteil bestätigt und die Rechtsbeschwerde des Betroffenen verworfen. Zwar greifen Videoaufnahmen von Verkehrsvorgängen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ein. Die Intensität und Reichweite des Eingriffs sei im konkreten Fall jedoch gering.

Kein Kernbereich der privaten Lebensgestaltung betroffen

Insbesondere betreffe ein Video, das lediglich Verkehrsvorgänge dokumentiere und mittelbar die Identifizierung des Betroffenen über das Kennzeichen seines Fahrzeugs ermögliche, nicht den Kernbereich seiner privaten Lebensgestaltung oder seine engere Privat- oder gar Intimsphäre. Im Rahmen der Abwägung seien zudem die hohe Bedeutung der Verfolgung schwerer Verkehrsverstöße für die Sicherheit des Straßenverkehrs und das Gewicht des Verstoßes im Einzelfall zu berücksichtigen.

Der Senat hat offen gelassen, ob bzw. unter welchen Umständen die Nutzung einer „Dashcam“ durch einen Verkehrsteilnehmer gegen § 6b des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) verstößt, der die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen nur in engen Grenzen zulässt.

Kein Beweisverwertungsverbot für das Straf- und Bußgeldverfahren

Jedenfalls enthalte § 6b Abs. 3 Satz 2 BDSG kein Beweisverwertungsverbot für das Straf- und Bußgeldverfahren. Somit folge aus einem (möglichen) Verstoß gegen diese Vorschrift nicht zwingend eine Unverwertbarkeit der Videoaufnahme. Über die Verwertbarkeit sei vielmehr im Einzelfall unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden.

Der Senat hob zugleich hervor, dass die Bußgeldbehörden ihrerseits bereits bei Verfahrenseinleitung die Verwertbarkeit derartiger Aufnahmen zu prüfen und u. a. die Schwere des Eingriffs gegen die Bedeutung und das Gewicht der angezeigten Ordnungswidrigkeit abzuwägen hätten. Aufgrund des Opportunitätsgrundsatzes (vgl. § 47 OWiG) stehe es den Bußgeldbehörden frei, ein ausschließlich auf der Ermittlungstätigkeit von Privaten mittels "Dashcam" beruhendes Verfahren nicht weiter zu verfolgen.

Gericht:
Oberlandesgericht Stuttgart, Beschluss vom 04.05.2016 - 4 Ss 543/15

OLG Stuttgart, Volltext auf der Webseite von RA Burhoff
Rechtsindex - Recht & Urteile
Ähnliche Urteile:

Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem Verkehrsunfall. Der Kläger filmte mittels einer sogenannten Dash-Cam aus seinem Auto den Unfallhergang. Der Beklagte beschreibt einen anderen Unfallhergang und widerspricht der Verwertung der Dash-Cam Aufzeichnung. Es bestünde ein Beweisverwertungsverbot. Zu Recht? Urteil lesen

Nach einem Urteil des Amtsgericht Nienburg besteht im Strafverfahren kein generelles Beweisverwertungsverbot für Dashcam-Aufzeichnungen. Ob eine Dashcam-Aufzeichnung im Strafverfahren verwertet werden darf, ist eine Frage des Einzelfalls. Urteil lesen

Das Landgericht Heilbronn hat sich in seinem Urteil (I 3 S 19/14) mit der Frage beschäftigt, ob die permanenten Aufzeichnungen einer in einem Pkw installierten Dashcam im Zivilprozess als Beweismittel zum Hergang eines Unfalls verwertet werden dürfen. Urteil lesen

Das Amtsgericht München hat klargestellt, dass Videoaufzeichnungen mit Hilfe der Dash-Cam im Zivilprozess nicht als Beweismittel verwendet werden dürfen. Der PKW Fahrer muss daher mit anderen Mitteln seine Unschuld beweisen, um den Prozess nicht zu verlieren. Urteil lesen

Werbung
Werbung auf Rechtsindex.de