Allein das Ziel einen Radfahrer zu einem vergangenen Ereignis zur Rede zu stellen, rechtfertigt einen Autofahrer nicht, diesen anderen während seiner Fahrt im öffentlichen Straßenverkehr vom Fahrrad zu ziehen, so das AG Bremen in seinem Urteil (10 C 212/13).

Der Sachverhalt 

Der Autofahrer blieb wegen eines Rückstaus auf einem Fahrradweg stehen. Zum gleichen Zeitpunkt fuhr der Fahrradfahrer auf dem Fahrradweg Richtung stadtauswärts und musste das Fahrzeug umfahren. Er fuhr dazu vorne um das Fahrzeug herum. Zeitgleich rollte der Autofahrer ein Stück vorwärts.

Der Radfahrer musste eine Ausweichbewegung machen, um nicht gegen das Fahrzeug zu fahren. Es kam dabei zu keiner Kollision, jedoch ist streitig, wie der Radfahrer das Fahrzeug berührt hat.

Der Radfahrer behauptet, er sei beim Passieren und dem Umfahren des Fahrzeugs durch das Vorwärtsfahren des Autofahrers fast zu Fall gekommen und dabei leicht gegen das Fahrzeug gestoßen. Der Autofahrer behauptet, der Radfahrer habe mit seinem rechten Fuß gegen die Stoßstange des Fahrzeugs getreten. Der Radfahrer setzte seine Fahrt unmittelbar fort. Der Autofahrer nahm mit seinem Pkw die Verfolgung des Radfahrers auf. Er stellte sich dem Radfahrer in den Weg und zog ihn vom Fahrrad. Beide lagen dann rangelnd am Boden, dabei kam es zu Verletzungen.

Der Autofahrer als Kläger verlangt nun Schmerzensgeld und ist der Ansicht, ihm stehe hinsichtlich des sich-in-den-Weg-stellens sowie hinsichtlich des Herunterziehens des Beklagten vom Fahrrad ein Verfolgungsrecht gem. § 127 StPO zu, welches sein Verhalten rechtfertigt.

Das Urteil des Amtsgerichts Bremen (10 C 212/13)

Es besteht kein Verfolgungsrecht des Autofahrers gem. § 127 StPO nach einem "Beinaheunfall" mit einem Fahrradfahrer, wenn offensichtlich kein Schaden entstanden ist, so der amtliche Leitsatz des AG Bremen (Urteil, Az. 10 C 212/13).

In Anbetracht der Tatsache, dass es der Autofahrer war, der dem Radfahrer die Vorfahrt genommen und dadurch fast mit dem Fahrrad kollidiert wäre, hätte dieser keine Ausweichbewegung gemacht, wäre vom Autofahrer für die Feststellung eines dringenden Tatverdachts im Sinne von § 127 StPO mindestens zu erwarten gewesen, dass er sich über den Zustand seines Fahrzeugs nach der akustischen Wahrnehmung eines Geräusches durch äußere Inaugenscheinnahme seines Fahrzeugs vergewissert, bevor er die unvermittelte Verfolgung des vermeintlichen Täters aufnimmt oder jedenfalls, bevor er sich dem Radfahrer in den Weg stellt. Allein das Ziel jemand anderen zu einem vergangenen Ereignis zur Rede zu stellen, rechtfertigt jedenfalls nicht, diesen anderen während seiner Fahrt im öffentlichen Straßenverkehr vom Fahrrad zu ziehen.

Darüber hinaus muss sich der Autofahrer in dieser Situation ein erhebliches Mitverschulden gem. § 254 BGB zurechnen lassen, welches einen etwaigen Schadensersatzanspruch zudem vollständig entfallen lässt. Das Verhalten des Autofahrers entspricht nicht dem eines besonnenen und rücksichtsvollen Teilnehmers am Straßenverkehr. In beiden Verkehrssituationen gab der Autofahrer den Impuls für einen Konflikt, welchen der Autofahrer hätte vermeiden können, wenn er seine Fahrt, so wie der Beklagte, nach dem Beinahe-Unfall schlicht fortgesetzt hätte.

Gericht:
Amtsgericht Bremen, Urteil vom 17.04.2014 - 10 C 212/13

AG Bremen
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