Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung muss ein Fahrgast einer Straßenbahn damit rechnen, dass - außerhalb von Fahrfehlern - bei der Fahrt ruckartige Bewegungen des Verkehrsmittels auftreten können, die seine Standsicherheit beeinträchtigen.

Urteile zum Thema "Sturz in der Staßenbahn"

Der Fahrgast ist deshalb selbst dafür verantwortlich, dass er durch typische und zu erwartende Bewegungen einer Straßenbahn oder eines Linienbusses nicht zu Fall kommt und muss sich Halt auch gegen plötzliche Bewegungen der Straßenbahn verschaffen (vgl. OLG Dresden, Urt. v. 05.04.1995 - 12 U 63/95, juris; OLG Dresden, Urt. v. 21.02.2006 - 13 U 2195/05, juris; vgl. auch LG Dresden, Urt. v. 12.05.2010 - 4 O 3263/09, NZV 2011, 202).

Der Fahrgast muss in diesem Zusammenhang durchaus auch jederzeit mit einem scharfen Bremsen des Verkehrsmittels rechnen (vgl. nur KG, Urt. v. 01.03.2010 - 12 U 95/09, MDR 2010, 1111). Dies gilt vor allem an Haltestellenbereichen von Großstädten, an denen es oftmals Verstöße gegen § 25 StVO gibt, auf die der Straßenbahnfahrer dann sofort, u.U. auch mit einer Notbremsung reagieren muss. Regelmäßig kann dem der Fahrgast, der mit einem solchen Manöver rechnen muss, dadurch begegnen, dass er sich sicheren Halt verschafft, soweit er nicht ohnehin einen Sitzplatz eingenommen hat.

Der Senat des OLG Dresden neigt der Auffassung zu, dass in derlei Fällen regelmäßig davon auszugehen ist, dass der Beweis des ersten Anscheins für die Annahme spricht, dass der Sturz eines Fahrgastes auf mangelnde Vorsicht zurückzuführen ist (vgl. nur KG, Urt. v. 07.05.2012 - 22 U 251/11, juris; einschränkend: BGH, Urt. v. 11.05.1976 - VI ZR 170/74, VersR 1976, 932).

Der konkrete "Fall"

Im vorliegenden Fall konnte das Gericht nicht nachzuvollziehen, weshalb die Klägerin sich veranlasst sehen musste, bereits 5 Sekunden vor Erreichen der Haltestelle ihren sicheren Sitzplatz aufzugeben ohne sich ausreichend abzusichern. Die Klägerin hat im maßgeblichen Zeitpunkt sich nicht angemessen festgehalten, um so auch auf ein plötzliches Abbremsen reagieren zu können. Vielmehr war sie kurz vor dem Unfall dem Sitz zugewandt und abgelenkt.

Der Senat des OLG verkennt nicht, dass es Fahrgästen unbenommen bleibt, von ihren Sitzen aufzustehen und sich in Richtung Ausgang zu begeben. Nur muss der Fahrgast auch in diesem Fall ausreichend Eigenvorsorge betreiben und sich angemessen festhalten, zumal wenn kurz vor Erreichen eines Haltestellenbereichs mit einem u.U. auch drastischen Abbremsen ohne weiteres zu rechnen ist. Dass die Klägerin aufgrund besonderer Umstände etwa nicht in der Lage gewesen wäre sich ausreichend festzuhalten, behauptet sie nicht.

Zwar nimmt die obergerichtliche Rechtsprechung in Einzelfällen an, dass es dem Fahrgast auch im Falle einer Notbremsung nicht zwingend zum Mitverschulden gereicht, wenn er zu Fall kommt. Allerdings gilt dies für Fälle, in denen sich der Fahrgast bei bestimmungsgemäßem Gebrauch von Gerätschaften zwangsläufig nicht ausreichend festhalten konnte (so etwa OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.10.1998 - 1 U 245/97, VersR 2000, 71 für den Fall, dass der Fahrgast sich wegen des Entwertens des Fahrscheins bei einer Notbremsung nicht mit beiden Händen festhalten konnte, oder OLG Celle, Urt. v. 21.02.1974 - 5 U 93/73, juris, in einem Fall, in dem der Fahrgast während des Bezahlvorgangs an einer festen Zahlstelle stürzt).

Betriebsgefahr der Straßenbahn

Im vorliegenden Fall ist nach Lage der Dinge allerdings durchaus von einem groben Eigenverschulden der Klägerin auszugehen, so dass sich ein solches Zurücktreten ohne weiteres ergibt. Die Rechtsprechung nimmt regelmäßig nur dann eine Quotierung vor, wenn es sich um einen atypischen Fall handelt (vgl. etwa OLG Dresden, Urt. v. 05.04.1995 - 12 U 63/95, juris: Sturz des Fahrgastes unmittelbar nach Schließen der Wagentür beim Anfahren aufgrund eines ungewöhnlichen, starken Rucks ohne vernünftigen Grund!).

Die Berufung wurde aufgrund des Hinweisbeschlusses zurückgenommen

Gericht:
Oberlandesgericht Dresden, Beschluss vom 26.03.2014 - 7 U 1506/13

OLG Dresden
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