Das OVG Münster (Az. 16 B 1332/13) unterbreitete einen Vergleichsvorschlag im Rahmen eines Rechtsstreites über eine Fahrerlaubnisentziehung bei Cannabiskonsum. Die aufschiebende Wirkung des Rechtsmittels wurde unter bestimmten Bedingungen wiederhergestellt.

Der Sachverhalt

Ein 18-Jähriger Autofahrer führte Anfang Dezember 2011 ein Kraftfahrzeug, obwohl er unter Einfluss von Cannabisprodukten stand. Dies hat sich eindeutig aus einem Gutachten ergeben, wonach die THC- Konzentration - des psychoaktiven Hauptwirkstoffs von Cannabis - bei 7,1 ng/ml und die des Metaboliten THC- COOH bei 64,9 ng/ml lag. Nach Anhörung wurde dem jungen Mann die Fahrerlaubnis mit Verfügung vom 27. September 2012 entzogen. Mit der erhobenen Klage wehrt sich der Kläger gegen die Entziehungsverfügung.

Das Verwaltungsgericht Köln (24.07.2013, Az. 11 K 6213/12) entschied durch einen Gerichtsbescheid, da der Sachverhalt geklärt sei und der Rechtsstreit keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweise. Die Entziehungsverfügung sei rechtmäßig und verletzte den Kläger nicht in seinen Rechten. Das Gericht bejahte die Frage, ob die Voraussetzungen für die Entziehung der Fahrerlaubnis des Klägers vorliegen, weil dieser als gelegentlicher Cannabiskonsument nicht zwischen Konsum und der Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr getrennt habe. Ein Kraftfahrer, der gelegentlich Cannabis einnehme, sei im Regelfall als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen, wenn zwischen Konsum und Fahren nicht getrennt werde, so das Gericht.

Den Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage (Az.11 K 6213/12, vom 30. Oktober 2012) gegen die Entziehungsverfügung der Beklagten vom 27. September 2013 anzuordnen, lehnte das VG Köln aus den Gründen des Gerichtsbescheides vom 24.07.2013 ab (VG Köln, Beschluss vom 27.09.2013, Az. 11 L 1171/113).

Am 27.09.2013 kam es zur mündlichen Verhandlung am Verwaltungsgericht Köln, bei der das Gericht zu keiner abweichenden Rechtsauffassung kam und weiterhin am Gerichtsbescheid vom 24.07.2013 festhielt. Ausführlich wurde in der Verhandlung erörtert, warum die vom Betroffenen selbst in Auftrag gegebenen Drogenscreenings nicht in der Lage seien, eine möglicherweise wieder gewonnene Eignung festzustellen. Dies könne allein durch eine medizinisch-psychologische Untersuchung geschehen, so das Gericht. Der Kläger legte Beschwerde gegen die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes vor dem OVG NRW ein.

Die Entscheidung des Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen

Das OVG sah einen Vergleichsvorschlag unter Berücksichtigung der wechselseitigen Interessen der Beteiligten als angezeigt. Der Vergleichsvorschlag ergehe vor dem Hintergrund, dass der Antragsteller unter Berufung auf vier Bescheinigungen über Drogenscreenings seine Drogenabstinenz geltend gemacht habe.

Diesen Bescheinigungen komme nach allem Anschein jedoch kein hinreichender Beweiswert zu, weil der Antragsteller die Urinproben weder unter Aufsicht abgegeben habe noch die Termine zur Abgabe einer Urinprobe von der Begutachtungsstelle bestimmt worden seien. Andererseits könne nicht von vornherein die behauptete Drogenfreiheit des Antragstellers in Abrede gestellt werden, so dass die vorgeschlagene Verfahrensweise der gütlichen Beilegung des anhängigen Beschwerdeverfahrens angezeigt sei, so das OVG NRW.

Es erscheine verantwortbar, den Antragsteller die Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr vorläufig zu ermöglichen, wenn er seine Drogenabstinenz gemäß Nr. 2 des Vergleichsvorschlags belege. Einer einjährigen Abstinenz eines Cannabiskonsums bedürfe es nicht.

Nr. 9 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung sehe dies, wenn es um die Einnahme von Cannabis geht, jedenfalls nicht ausdrücklich vor (vgl. Nr. 9.5). Für den endgültigen Nachweis der Fahreignung sei gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 der Fahrerlaubnis-Verordnung eine medizinisch- psychologische Begutachtung erforderlich. Dem solle Nr. 5 des Vergleichsvorschlags Rechnung tragen.

Der Vergleich des OVG Nordrhein-Westfalen

  1. Der Antragsteller verpflichtet sich, mit einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung einen Vertrag zum Nachweis seiner geltend gemachten Drogenfreiheit zu schließen, wonach innerhalb eines Zeitraums von drei Monaten - beginnend spätestens im Januar 2014 - auf seine Kosten vier Drogenscreenings in Form von Urinuntersuchungen durchzuführen sind. Der Nachweis über den Abschluss des Vertrags sowie die Ergebnisse der einzelnen Screenings (jeweils nach Probenabgabe und Auswertung) sind unverzüglich der Antragsgegnerin (Fahrerlaubnisbehörde) vorzulegen.
  2. Die Antragsgegnerin verpflichtet sich, die Anordnung der sofortigen Vollziehung ihrer Ordnungsverfügung vom 27. September 2012 aufzuheben, wenn das Ergebnis des ersten Drogenscreenings vorliegt und sich daraus kein Anhaltspunkt für einen Drogenkonsum ergibt.
  3. Wird der Antragsteller im Straßenverkehr oder außerhalb davon erneut betäubungsmittelauffällig, ist die Antragsgegnerin befugt, die sofortige Vollziehung wieder in Kraft zu setzen. Das Gleiche gilt, wenn das Ergebnis der weiteren Drogenscreenings einen Anhaltspunkt für einen Drogenkonsum ergibt.
  4. Gelingt dem Antragsteller der Nachweis der Drogenfreiheit (Nr. 1) nicht oder tritt der Fall der Nr. 3 ein, nimmt er den Antrag auf Zulassung der Berufung in dem Verfahren 16 A 2513/13 zurück. Der Nachweis nach Nr. 1 ist auch dann nicht erbracht, wenn der Antragsteller aus ihm zuzurechnenden Gründen die ihm seitens der Begutachtungsstelle gesetzten Untersuchungstermine versäumt.
  5. Wenn der Antragsteller der Antragsgegnerin schließlich bis zum 30. April 2014 seine Fahreignung durch ein positives medizinisch-psychologisches Gutachten nachweist, hebt die Antragsgegnerin ihre Ordnungsverfügung vom 27. September 2012 auf. Die Beteiligten werden dann das Verfahren 16 A 2513/13 in der Hauptsache für erledigt erklären.
  6. Der Antragsteller trägt die Kosten dieses Verfahrens erster und zweiter Instanz.

Gericht:
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 05.12.2013 - Az. 16 B 1332/13

Die Unterlagen (Urteile, Beschlüsse) wurden Rechtsindex von der Kanzlei Könen & Morelli Rechtsanwälte aus Bonn zur Verfügung gestellt, die diesen Rechtsstreit geführt haben. Dafür herzlichen Dank.

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