Ein Busfahrer muss vor dem Losfahren nicht jedes Mal bis auf den letzten Fahrgast überprüfen, ob tatsächlich alle Insassen sicher Platz genommen haben. Der Fahrer darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass die Fahrgäste selbst dafür sorgen, sich im Buss stets einen festen Halt zu verschaffen.

Der Sachverhalt

Nach einer Mitteilung der Deutschen Anwaltshotline (www.anwaltshotline.de), bestieg eine Frau in Bremerhaven einen Gelenkbus durch die Vordertür, ging nach hinten und stürzte schwer, als der Bus anfuhr. Allerdings hatte sie sich in diesem Augenblick noch einmal umgedreht, um in Fahrtrichtung sitzen zu kommen - ohne sich dabei festzuhalten.

So steht es zumindest in dem von ihr ausgefüllten Fragebogen zum Unfallgeschehen, in dessen Folge zum Zeitpunkt der Gerichtsverhandlung schon Behandlungskosten in Höhe von 4.375,47 Euro aufgelaufen waren.

Die Entscheidung

[...] Der Fahrer eines Linienbusses darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass die Fahrgäste entsprechend ihrer Verpflichtung aus § 14 Abs. 3 Nr. 4 BOKraft selbst dafür sorgen, sich im Fahrzeug stets einen festen Halt zu verschaffen. Dies gilt auch beim Anfahren, es sei denn, die besondere Hilfsbedürftigkeit des Fahrgastes musste sich dem Fahrer aufdrängen (vgl. OLG Koblenz, Urteil, vom 14.08.2000, 12 U 893/99, BeckRS 2000 07458).[...]

[...] Wenn es, wie vorliegend, keinerlei Anhaltspunkte für eine sonstige Ursache des Sturzes eines Fahrgastes gibt, insbesondere auch andere Fahrgäste nicht gestürzt sind, spricht nach Auffassung des Senates sogar ein Anscheinsbeweis dafür, dass der Sturz jedenfalls weit überwiegend auf mangelnde Vorsicht des Fahrgastes zurückzuführen ist (vgl. auch OLG Koblenz, aaO). Kann dieser Anscheinsbeweis nicht entkräftet werden, fällt die auf Seiten der Beklagten zu berücksichtigende Betriebsgefahr nicht ins Gewicht und tritt gänzlich zurück (vgl. OLG Bremen, 1 U 44/07, Urteil vom 19.09.2007 m.w.N.). [...]

Zusammengefasst schreibt hier die Deutsche Anwaltshotline

Eine Mitschuld des Fahrers bzw. eine zu berücksichtigende Betriebsgefahr seitens des Betreibers des Linienbusses hat das Gericht gänzlich ausgeschlossen. "Die Verunglückte hat damit rechnen müssen, dass der Bus jeden Moment anfahren kann, und sich dennoch noch einmal umgedreht und beim Hinsetzen nicht einmal festgehalten", erklärt Rechtsanwalt Jörg-Matthias Bauer (telefonische Rechtsberatung unter 0900/1875000-0 für 1,99 Euro pro Minute) das eklatante Versäumnis der Frau. Der Busfahrer dagegen ist offenbar ganz "normal" angefahren, kamen doch andere Fahrgäste, die ebenfalls standen, dabei nicht zu Schaden.

Vorinstanz:
LG Bremen, 11.03.2010 - 6 O 1814/09

Gericht:
OLG Bremen, 09.05.2011 - 3 U 19/10

Quellen: Rechtsindex, Deutsche Anwaltshotline
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