Auch wenn die Höchstgeschwindigkeit eingehalten wird, haftet ein Unfallgeschädigter mit, wenn er bei Dunkelheit nicht so angepasst fährt, dass er innerhalb einer überschaubaren Strecke rechtzeitig vor einem Hindernis anhalten kann.

Der Sachverhalt

Ein LKW-Fahrer fuhr mit seinem Anhänger in eine Staße ein, um dort zu wenden und in entgegengesetzter Fahrtrichtung weiterzufahren. Das Anhängerfahrzeug stand quer zur Fahrbahn als ein Fiat-Fahrer die leicht abschüssige Kreisstraße befuhr und mit dem Anhänger kollidierte. Das Fahrzeug erlitt einen Totalschaden. Erstattet wurde ein Betrag in Höhe von 70 % des Schadens. Der Fiat-Fahrer ist jedoch der Auffassung, dass das Unfallereignis allein und ausschließlich auf das grob verkehrswidrige Verhalten des LKW-Fahrers zurückzuführen sei.

Die Entscheidung

Zwar hat der LKW-Fahrer den Verkehrsunfall erheblich verschuldet, weil er entgegen § 9 Abs.5 StVO bei Dunkelheit einen Einmündungsbereich in eine bevorrechtigte Straße zum Wenden genutzt hat und dabei der Anhänger des von ihm geführten Gespanns quer über beide Fahrbahnen befand. Beim Wenden muss er sich so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Die damit geforderte höchstmögliche Sorgfalt ist eindeutig nicht eingehalten, wenn in der Dunkelheit eine Stelle zum Wenden benutzt wird, die von dem bevorrechtigten Verkehr mit einer Höchstgeschwindigkeit von 70 km / h genutzt werden kann, an der jedoch auf Grund der Ausmaße des geführten Gespanns dieses stecken bleibt und dadurch den Verkehr auf der bevorrechtigten Straße blockiert. Eine Geschwindigkeitsüberschreitung des Fiat-Fahrers war nicht erkennbar.

Verstoß gegen das Sichtfahrgebot

Der Autofahrer hat die gebotene Sichtgeschwindigkeit nicht eingehalten und ist in den Anhänger hineingefahren. Damit spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass er entweder unter Verstoß gegen das Sichtfahrgebot zu schnell oder unaufmerksam gefahren ist.

[Aus dem Urteil...] Das Auffahren auf ein die Fahrbahn versperrendes anderes Fahrzeug erlaubt grundsätzlich eine alternative Schuldfeststellung dahin, entweder der Bremsweg des Auffahrenden länger als die Sichtweite oder seine Reaktion auf die rechtzeitig erkennbare Gefahr unzureichend gewesen sein muss ( BGH VersR 1987, 1241 ). Ein Kraftfahrer darf gerade auch bei Dunkelheit nur so schnell fahren, dass er innerhalb der überschaubaren Strecke rechtzeitig vor einem Hindernis, das sich auf seiner Fahrbahn befindet, anhalten kann. Dabei muss ein Kraftfahrer seine Geschwindigkeit auch auf unbeleuchtet auf der Fahrbahn befindliche Fahrzeuge einrichten ( BGH VersR 1988, 412 ). Dies trifft gerade auch auf liegengebliebene Anhänger zu. Nur bei Gegenständen, deren Erkennbarkeit in atypischer Weise besonders erschwert ist, kann etwas anderes gelten. Für auf der Straße liegengebliebene Fahrzeuge, mögen sie auch unbeleuchtet und mit dunklem Aufbau versehen sein, greift diese Ausnahme jedoch nicht ein. Hier ist vom Kraftfahrer zu fordern, seine Fahrweise so zu wählen, dass er rechtzeitig anhalten kann ( BGH VersR 1987, 1241 ). [...]

Haftungsverteilung

Unter Berücksichtigung der höheren Betriebsgefahr des LKWs und aller Umstände erscheint es angemessen, eine Haftungsverteilung von 75 % für dem LKW-Fahrer und 25% für den Fiat-Fahrer vorzunehmen.

Gericht:
Landgericht Köln, Urteil vom 25.03.2010 - 29 O 112/09

Querverweis:
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