Tierschützer stiegen in den Nachstunden über den Zaun einer Tierzuchtanlage und betraten über geöffnete Türen die Ställe, um dort Filmaufnahmen zu fertigen. Dort stellten sie Verstöße fest und dokumentierten diese. Die Verletzung des Hausrechts war u.a. unter dem Gesichtspunkt des Notstandes gerechtfertigt.

Der Sachverhalt

Der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Naumburg hat über die Revision der Staatsanwaltschaft gegen ein Urteil des Landgerichts Magdeburg zu entscheiden, das den vom Amtsgericht Haldensleben ausgesprochenen Freispruch der Angeklagten von dem Vorwurf des gemeinschaftlichen Hausfriedensbruchs bestätigt hat.

Nach den Feststellungen des Landgerichts sind die drei Angeklagten Mitglieder einer Tierschutzorganisation. Aus einem Hinweis erfuhren die Angeklagten, dass in den Stallungen eines Tierzuchtunternehmens diverse Verstöße gegen die seit dem 1. Januar 2013 geltende Tierschutznutztierhaltungsverordnung vorliegen sollten. So seien insbesondere die Kastenstände für Schweine deutlich zu klein.

Aus vorherigen Fällen verfügten die Angeklagten über die Erfahrung, dass eine Anzeige bei der zuständigen Behörde ohne dokumentierte Beweise nicht erfolgversprechend war. In den Nachtstunden des 29. Juni und des 11. Juli 2013 überstiegen jeweils zwei der Angeklagten in desinfizierter Schutzkleidung die Umzäunung der Anlage und betraten über geöffnete Türen die Ställe, um dort Filmaufnahmen zu fertigen.

Sie stellten Verstöße gegen die vorgeschriebenen Haltungsbedingungen fest und dokumentierten diese filmisch. Die Angeklagten handelten hierbei auf Grund ihres stark ausgeprägten Mitgefühls für Tiere mit dem Ziel, die zuständigen staatlichen Stellen dazu zu veranlassen, auf die Einhaltung der Tierschutzregeln hinzuwirken.

Das Amtsgericht Haldensleben (Az. 3 Cs 224/15) hat die Angeklagten freigesprochen. Die dagegen gerichtete Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht Magdeburg (Az. 28 Ns 74/17) verworfen. Allerdings hätten die Angeklagten den objektiven Tatbestand des Hausfriedensbruchs erfüllt, weil sie in das befriedete Besitztum des Tierzuchtunternehmens eingedrungen seien. Die Verletzung des Hausrechts sei jedoch unter dem Gesichtspunkt der Nothilfe und des Notstandes gerechtfertigt gewesen.

Der Tierschutz sei als Staatsziel verfassungsrechtlich geschützt

Daher stelle das Recht der Tiere auf eine tierschutzgerechte Haltung ein notstandsfähiges Rechtsgut dar. Aber auch menschliche Empfinden in Form des Mitgefühls für Tiere werde durch die Regeln des Tierschutzes geschützt, weshalb gegen Tierquälerei Nothilfe zulässig sein müsse. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer Revision gegen die Freisprüche und erstrebt die Zurückverweisung des Verfahrens an das Landgericht Magdeburg.

Die Entscheidung

Der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Naumburg (Urteil, Az. 2 Rv 157/17) hat die Revision der Staatsanwaltschaft durch Urteil als unbegründet verworfen. Der Senat hat die vom Berufungsgericht vertretene Auffassung bestätigt, wonach rechtfertigender Notstand vorlag.

Das Tierwohl stelle ein notstandsfähiges Rechtsgut dar, dem durch die von den Angeklagten dokumentierten Missstände dauerhafte Gefahr gedroht habe. Die Tat sei zur Abwendung der Gefahr erforderlich gewesen, weil mit einem Eingreifen der zuständigen Behörden nach den zuvor erzielten Erfahrungen nicht zu rechnen gewesen sei.

Das von den Angeklagten geschützte Tierwohl sei im vorliegenden Fall deutlich höher zu bewerten als das verletzte Hausrecht. Dabei hat der Senat auch berücksichtigt, dass die Gefahr für das von den Angeklagten geschützte Tierwohl vom Inhaber des Hausrechtes ausgegangen war. 

Gericht:
Oberlandesgericht Naumburg, Urteil vom 22.02.2018 - 2 Rv 157/17

OLG Naumburg, PM 02/2018
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