Der 55-Jährige chattete über WhatsApp mit einer 9-Jährigen, die er über die Mutter seit einiger Zeit kannte. Er fragte das Mädchen nach ihrem Freund aus, ob sie für ihn auch eine Freundin hätte, die nicht erwachsen sein müsse und ob man dann nicht was zu viert machen wolle. Der Mann erhielt 9 Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung.

Der Sachverhalt

Der 55-jährige Angeklagte chattete über WhatsApp mit der seinerzeit 9 Jahre alten Geschädigten. Der Angeklagte war mit der Mutter der Geschädigten bereits seit einigen Jahren bekannt. Im Rahmen des Chats fragte der Angeklagte die Geschädigte wiederholt nach ihrem Freund und ob sie glücklich mit ihm sei.

In den nächsten Tagen erkundigte er sich, ob die Nacht mit ihrem Freund "schön" gewesen sei und ob sie für ihn nicht auch "eine Freundin" habe. Diese müsse auch "nicht erwachsen" sein. Des Weiteren schrieb der Angeklagte: "Vielleicht mag sie mich ja auch. Dann können wir ja zu 4 was machen. Du und dein Freund und ich mit ihr."

Die weiteren Nachrichten, die der Angeklagte über WhatsApp an die Geschädigte versandte, erhielt ihre Mutter, die zwischenzeitlich das Telefon ihrer Tochter an sich genommen hatte. Diese führte in deren Namen die Konversation fort. Der Geschädigte teilte, in der Annahme weiterhin die Tochter im Chat zu haben, mit, dass sie echt süß sei, er sie sehr möge und sie ja leider schon vergeben sei. Die Konversation endete mit der Frage, ob sie denn auch gerne nackt gestreichelt werden würde.

Aufgrund des Chats verurteilte das Amtsgericht den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern einer in ihrer Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von 9 Monaten. Die gegen die Verurteilung vom Angeklagten eingelegte Sprungrevision blieb erfolglos.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm

Nach Beschluss des 4. Strafsenats des Oberlandesgerichts Hamm hat sich der Angeklagte wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß § 176 Abs. 4 Nr. 3 Strafgesetzbuch strafbar gemacht.

Die Leitsätze

Den Begriff des Einwirkens i.S.v. § 176 Abs. 4 Nr. 3 StGB hat der Gesetzgeber dem früheren § 180b Abs. 1 S. 2 StGB entnommen und zu seiner Auslegung auf die dazu ergangene Rechtsprechung und Literatur verwiesen. Nach dieser Rechtsprechung erfasst das Einwirken alle Formen der intellektuellen Beeinflussung, verlangt darüber hinaus aber auch eine gewisse Hartnäckigkeit. Als Mittel kommen wiederholtes Drängen, Überreden, Versprechungen, Wecken von Neugier, Einsatz von Autorität, Täuschung, Einschüchterung, Drohung und auch Gewalteinwirkung in Betracht.

Es ist nicht erforderlich, dass sich der Absender und der Adressat des Kontaktes zum Zeitpunkt der Kontaktaufnahme noch nicht kennen. Eine Einschränkung des Anwendungsbereichs der Vorschrift auf anonyme Kontaktaufnahmen, insbesondere im Internet, ist nicht geboten.

Aus den Entscheidungsgründen

Die vom Angeklagten auf das Mobiltelefon der Geschädigten gesandten Nachricht mit dem Vorschlag, "zu 4 was machen" sei eine Schrift im Sinne des Straftatbestandes, so der 4. Strafsenat. Mit dieser Kurznachricht habe der Angeklagte auf die Geschädigte eingewirkt. Ein solches Einwirken könne auf verschiedene Weise erfolgen, z.B. wiederholtes Drängen, Überreden, Versprechungen oder das Erwecken von Neugier.

Angeklagter hat auf die Geschädigte eingewirkt

Im vorliegenden Fall sei es zwar noch nicht zu einem wiederholten Drängen oder zu einem Überreden gekommen, da die zuvor übersandten Nachrichten noch keinen hinreichenden sexuellen Hintergrund gehabt hätten, während die späteren Nachrichten die Geschädigte nicht mehr erreichten. Die infrage stehende Nachricht diene aber - nicht zuletzt vor dem Hintergrund der vorangegangenen Nachrichten, in denen unter anderem "die Nacht" mit dem Freund der Geschädigten thematisiert worden sei - ersichtlich dem Wecken von Neugier. Dabei habe der Angeklagte ein sexuelles Erlebnis mit mehreren Beteiligten vorgeschlagen, welches die Geschädigte zuvor - einem Freund zugewandt - noch nicht gehabt habe.

Straftatbestand setzt keine Anonymität voraus

Das habe das Amtsgericht zutreffend als strafbar bewertet. Der Umstand, dass der Angeklagte die Geschädigte im Zeitpunkt des Chats bereits gekannt habe, sei - anders als die Revision gemeint hatte - unerheblich, weil § 176 Abs. 4 Nr. 3 StGB keine Anonymität voraussetze. Es sei nicht erforderlich, dass sich der Absender und der Adressat des Kontaktes zum Zeitpunkt der Kontaktaufnahme noch nicht kennen. Dem Wortlaut ist eine solche Einschränkung nicht zu entnehmen (vgl. BGH, Beschl. v. 16.07.2015  4 StR 219/15).

Themenindex:
Cyber-Grooming, sexueller Missbrauch von Kindern

Gericht:
Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 14.01.2016 - 4 RVs 144/15

OLG Hamm
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