Ein Gericht ist nicht verpflichtet, ein nicht rechtskräftiges Urteil in die ausländische Sprache des Angeklagten übersetzen und dieses zustellen zu lassen, wenn der Angeklagte in der Hauptverhandlung anwesend war, diese durch einen Dolmetscher für den Angeklagten übersetzt wurde und dieser einen Verteidiger hat.

Der Sachverhalt

Der Angeklagte ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er spricht Türkisch und Zaza. Er verfügt nur über eingeschränkte Kenntnisse der deutschen Sprache. Mit Urteil des Senats wurde er wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland in Tateinheit mit Erpressung zu der Freiheitsstrafe von 3 Jahren 6 Monaten verurteilt.

Dagegen haben der Angeklagte und die Bundesanwaltschaft das Rechtsmittel der Revision eingelegt. Das schriftliche Urteil im Umfang von 278 Seiten liegt vor und wurde dem Angeklagten zugestellt. Der Angeklagte beantragte durch seinen Verteidiger, dass schriftliche Urteil in die türkische Sprache übersetzen zu lassen und ihm zuzustellen.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart (Az. 6 - 2 StE 2/12)

Der Antrag auf schriftliche Übersetzung des Urteils und Zustellung (§ 37 Abs. 3 StPO) wurde abgelehnt, da der Angeklagte keinen entsprechenden Anspruch habe.

Gem. § 184 S. 1 GVG ist die Gerichtssprache deutsch. Strafgerichtliche Urteile werden daher in deutscher Sprache abgefasst (Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl. § 184 Rn. 3), einer schriftlichen Übersetzung in eine dem Angeklagten verständliche Sprache bedarf es grundsätzlich nicht. Auch eine Ausnahme von diesem Grundsatz folge im vorliegenden Fall auch nicht aus § 187 Abs. 2 GVG.

Dass keine Verpflichtung zur schriftlichen Urteilsübersetzung besteht, wenn der von Gesetzes wegen für die Revisionsbegründung verantwortliche Rechtsanwalt des sprachunkundigen Angeklagten das schriftliche Urteil kennt, entspricht auch bisheriger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 64, 135), auf die die Begründung des Gesetzentwurfs zur Erläuterung der Reichweite der Gewährleistung aus § 187 Abs. 2 S. 5 GVG ausdrücklich Bezug nimmt (BT-Drs. 17/12578, S. 12). Danach ist ein faires Verfahren bereits dann gegeben, wenn dem der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtigen Beschuldigten zur Beratung mit seinem Verteidiger - auch zur Begründung eines Rechtsmittels - ein Dolmetscher zur mündlichen Übersetzung der schriftlichen Urteilsbegründung zur Verfügung gestellt wird.

Vorliegend hat der Angeklagte gegen das Urteil Revision eingelegt. Im Hinblick auf die Formvorschrift des § 345 Abs. 2 StPO, die eine anwaltliche Revisionsbegründung vorsieht, ist bereits nicht ersichtlich, wozu der Angeklagte - über die vom Dolmetscher begleitete Erörterung mit seinem Verteidiger hinaus - eine schriftliche Übersetzung des Urteils benötigt.

Gericht:
Oberlandesgericht Stuttgart, Beschluss vom 09.01.2014 - 6 - 2 StE 2/12

OLG Stuttgart
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