Die so genannten Brandstiftungsdelikte der §§ 306 ff StGB sind sehr komplex und bereiten den Studierenden oftmals viele Kopfschmerzen im Studium. Ein kleiner Überblick soll Abhilfe leisten.

Blicken Laien oder Studenten das erste Mal auf die Brandstiftungsdelikte in §§ 306 ff. StGB, so wundern sie sich häufig über die hohe Strafandrohung. Bereits die "einfache" Brandstiftung nach § 306 Abs. 1 StGB hat eine Höchststrafe von zehn Jahren. Die schwere Brandstiftung gemäß § 306a Abs. 1 StGB wird sogar mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 15 Jahren sanktioniert. Damit gehören die Brandstiftungsdelikte, zumindest was die Strafandrohung betrifft, zu den schwersten Delikten im Strafrecht.

Geschichtliche Gründe

Diese sehr hohe Strafandrohung ist primär auf historische Gründe zurückzuführen. Diese Regelungen stammen aus Zeiten, als die Innenstädte noch eng bebaut waren, die Häuser aus leicht entflammbarem Material gebaut wurden und noch keine modernen Vorkehrungen zur Eindämmung von Bränden existierten. Ein einzelnes brennendes Haus hatte damals schnell die gesamte Innenstadt gefährdet und etliche Menschenleben gekostet. Da es auch noch keine moderne und effektive Brandbekämpfung gab, war die Brandstiftung eines der gefährlichsten Delikte in der damaligen Zeit.

Heute sieht es dagegen etwas anders aus. Die Bebauung ist an vielen Stellen wieder aufgelockert worden, die Gebäude sind oft mit brandhemmenden Materialien errichtet und moderne Sicherungsausstattungen wie Brandtüren, Sprinkleranlagen oder Brandmelder verhindern oft schlimmeres. Auch das moderne Baurecht ist auf die Brandgefahr eingegangen und schreibt heutzutage neben Fluchtwegen auch Freiflächen für Feuerwehrfahrzeuge vor. Zudem arbeitet die Feuerwehr deutlich effektiver und besser strukturiert.

Insgesamt hat das Feuer als solches etwas an Schrecken verloren, trotzdem ist ein Feuer auch heute noch eine nur schwer zu kontrollierende Gefahr. Vor allem wenn weitere Gefahrensituationen dazu treten. Denn die Brandstiftungsdelikte nach §§ 306 ff. StGB schützen nicht nur Gebäude, sondern zum Beispiel auch Schiffe und Flugzeuge. Dies wird wohl auch ein Grund dafür sein, warum der Gesetzgeber die hohe Strafandrohung der Brandstiftungsdelikte bisher beibehalten hat.

Die Einordnung der Brandstiftungsdelikte

Vieles ist bei den Brandstiftungsdelikten umstritten. Bereits die Einordnung der einzelnen Straftatbestände bereitet Schwierigkeiten. Auf dem ersten Blick könnte man nämlich annehmen, dass die einfach Brandstiftung nach § 306 Abs. 1 StGB das Grunddelikt zu § 306a Abs. 1 StGB bildet. Dies ist jedoch nach ganz herrschender Meinung (Fischer, StGB, § 306 Rn. 1) nicht der Fall, denn der § 306 Abs. 1 StGB ist vielmehr ein Spezialfall der Sachbeschädigung. Taugliches Tatobjekt können nur fremde Objekte sein. Entzündet jemand sein eigenes Gebäude, so ist er nicht aus § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB zu bestrafen . Der Gesetzgeber entschied sich damals dennoch, den § 306 StGB in dem 28. Abschnitt des StGB aufzunehmen, da in ihm auch eine Gemeingefährlichkeit sanktioniert wird.

Diese Einordnung ist nicht nur akademischer Natur, sondern ist vor allem für die Einwilligung relevant. Sieht man den § 306 Abs. 1 StGB als ein Delikt an, welches primär das fremde Eigentum schützen soll, dann ist eine rechtfertigende Einwilligung des Eigentümers möglich. So sieht es unter anderem auch die Rechtsprechung (BGH, 26. März 2003 – 1 StR 549/02).

Teleologische Reduktionen

Die Tatbestände der Brandstiftungsdelikte sind schnell erfüllt und rechtfertigen in der Praxis häufig kaum die Strafandrohung. So sieht § 306a Abs. 1 Nr. 1 Var. 2 StGB eine Mindeststrafe von einem Jahr des Freiheitsentzug vor, wenn ein Schiff durch Inbrandsetzung zerstört wird. Ein einfaches Lehrbuch-Beispiel zeigt, zu was für offenkundig ungerechten Ergebnissen dieser Tatbestand führen kann:

Rudert zum Beispiel ein Eigentümer mit seinem eigenen Ruderboot in die Mitte eines Sees und lässt er dann das Boot dort abbrennen, ist die schwere Brandstiftung erfüllt. In diesem Fall wäre selbst die Strafandrohung des minder schweren Falles nach § 306a Abs. 3 StGB von sechs Monaten bis zu fünf Jahren kaum mit dem Gerechtigkeitsgefühl zu vereinbaren. Vor allem nicht, da es weiterhin zu einem Schuldspruch über ein Verbrechen kommen würde.

Aus diesem Grund werden unterschiedliche teleologische Reduktionen des Tatbestandes angewandt. In der Literatur wird teilweise vertreten, dass alle Tatobjekte herauszunehmen sind, bei denen schon von Grund auf keine Gemeingefahr ausgehen kann. Darunter würde das Ruderboot möglicherweise fallen.

Eine weitere wichtige teleologische Reduktion nimmt die Rechtsprechung bei kleinen Gebäuden im Rahmen des § 306a Abs. 1 StGB vor (BGH, 24. April 1975 - 4 StR 120/75). Hat sich der Täter vor der Tat vergewissert, dass sich keine Person im Gebäude befindet, so liegt nicht der Tatbestand des § 306a Abs. 1 StGB vor. Diese Vergewisserung kann regelmäßig jedoch nur dann angenommen werden, wenn es sich um ein sehr überschaubares Objekt handelt, also grundsätzlich nur ein Häuschen, das aus einem gut überschaubaren Raum besteht. Bei Gebäuden mit mehreren Räumen ist eine absolute Vergewisserung des Täters wohl nicht möglich.

Diese Reduktion ist jedoch nicht ganz unumstritten. So wird vor allem kritisiert, das abstrakte Gefährdungsdelikt der schweren Brandstiftung werde zu einem konkreten Gefährdungsdelikt umgedeutet. Dem entgegengehalten werden kann aber, dass auch bei einem abstrakten Gefährdungsdelikt eine abstrakte Gefahr bestehen muss. Hat sich ein Täter aber vollständig vergewissert und ist die Gefahr ausgeschlossen, so liegt nicht einmal mehr eine abstrakte Gefahr vor.

Zusätzlich hat der Gesetzgeber bewusst die Rechtsprechung des BGH bei der Reform der Brandstiftungsdelikte im Rahmen des 6. StrRG gebilligt (BT-Drs. 13/8587, S. 47).

Eine weitere einschränkende Auslegung wird bei § 306b Abs. 2 Nr. 2 Var. 1 StGB vorgenommen. Denn hier drunter fällt der typische Versicherungsmissbrauch. Brennt der Täter das Gebäude lediglich zum Erhalten der Versicherungssumme nieder, wäre der § 306b Abs. 2 Nr. 2 Var. 1 StGB grundsätzlich einschlägig. Denn während früher noch ein "Ausnutzen" verlangt wurde, strich der Gesetzgeber dies mit der bereits angesprochenen Strafrechtsreform im Jahr 1998.

Die Literatur bedient sich zur Korrektur zum großen Teil der alten Formulierung des Gesetzes und verlangt weiterhin ein Ausnutzen. Der Täter muss also, um § 306b Abs. 2 Nr. 2 Var. 1 StGB zu erfüllen, die spezifische Wirkung der Brandstiftung ausnutzen. Dies ist beim Versicherungsmissbrauch regelmäßig nicht der Fall.

Die Rechtsprechung geht dagegen einen anderen Weg und orientiert sich nah am Wortlaut der Norm. Der Anschließende Versicherungsbetrug sei nämlich keine "andere" Tat, sondern dieselbe Tat (BGH, 15. März 2007 – 3 StR 454/06). Bisher wendet der BGH diese Auslegung jedoch nur beim Versicherungsmissbrauch an. Fraglich ist, ob die Rechtsprechung dieser Auslegung auch konsequent folgen wird, wenn durch die Brandlegung zum Beispiel ein Mensch getötet werden soll.

Wertungswidersprüche bei den Brandstiftungsdelikten

Alleine diese kleine Auswahl an ergänzenden Auslegungen zeigt, dass die Brandstiftungsdelikte viele Korrekturen durch den Rechtsanwender bedurften. Wie komplex die Brandstiftungsdelikte sind, lässt sich auch gut an dem Wertungswiderspruch in der fahrlässigen Brandstiftung gemäß § 306d Abs. 1 Var. 3 StGB erkennen.

Der § 306d Abs. 1 Var. 3 StGB enthält den Tatbestand des § 306a Abs. 2 StGB, der wiederum den § 306 Abs. 1 StGB beinhaltet. Da der § 306d StGB aber darüber hinaus noch eine fahrlässige konkrete Gefahr verlangt, handelt es sich bei § 306d Abs. 1 Var. 3 StGB um das speziellere Gesetz und lässt § 306 Abs. 1 StGB zurücktreten.

Schaut man sich nun aber den Strafrahmen an, so wird der massive Wertungswiderspruch deutlich. Am konkreten Beispiel: Zündet jemand ein fremdes Gebäude an und gefährdet dabei niemanden, so ist die Tat nach § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bedroht. Zündet jemand aber ein fremdes Gebäude an und schafft damit noch zusätzlich fahrlässig eine konkrete Gefahr, so soll der Täter aus § 306d Abs. 1 Var. 3 StGB nur noch mit einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren oder Geldstrafe bedroht werden. Bei einer wörtlichen Anwendung würde somit der Täter privilegiert werden, der ein größeres Unrecht begeht.

Diese Situation ist so unbefriedigend, dass sich sowohl in der Literatur als auch in der Rechtsprechung unterschiedliche Lösungsansätze entwickelten. Die Literatur beschränkt zum Teil den § 306a Abs. 2 auf tätereigene und herrenlose Sachen (Fischer, StGB, § 306a Rn. 10). Dies verlagert das Problem aber nur an einen anderen Ort. Die Rechtsprechung nimmt daher eine Tateinheit zwischen den beiden Taten an und legt über § 52 Abs. 2 S. 1 StGB den höheren Strafrahmen des § 306 Abs. 1 StGB an (BGH, Beschluss vom 15. März 2000 – 3 StR 597/99). Dogmatisch ist dies vermutlich nicht ganz sauber, jedoch ein gangbarer Weg, um den offensichtlichen Wertungswiderspruch zu überwinden.

Die Korrektur der Brandstiftungsdelikte

Insgesamt zeigen die Brandstiftungsdelikte eindrucksvoll, dass eine starre Gesetzesanwendung im Strafrecht häufig nicht zu einem gewünschten und gerechten Ergebnis führt. Mal führen die Tatbestände zu unverhältnismäßig hohen Strafen und mal führt das Zusammenspielen der einzelnen Delikte zu eklatanten Wertungswidersprüchen. Aus diesem Grund ist eine Kenntnis über die jeweiligen einschränkenden Auslegungen der Tatbestände wichtig für die richtige Anwendung der Normen.

Solange der Gesetzgeber an dieser Situation nicht ändert, müssen die Brandstiftungsdelikte vom Rechtsanwender zeitgemäß und insbesondere im Lichte der Grundrechte ausgelegt werden. Dabei muss gleichermaßen der Gefährlichkeit des Feuers Rechnung getragen werden als auch bezüglich der Strafhöhe ein Verhältnis zu anderen Strafvorschriften gewahrt werden.

Autor: Rechtsanwalt & Fachanwalt für Strafrecht Dr. Böttner aus Hamburg

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