Eine Scheidung stelle nach den gesellschaftlichen Verhältnissen kein außergewöhnliches Ereignis mehr dar. Das Niedersächsische Finanzgericht hat durch Urteil (3 K 297/14) entschieden, dass Scheidungskosten im Streitjahr 2013 nicht mehr als außergewöhnliche Belastungen steuerlich geltend gemacht werden können.

Scheidungen seien kein außergewöhnliches Ereignis mehr

Das Finanzgericht  hat sich in seinem Urteil (3 K 297/14) insoweit auf die Daten des Statistischen Bundesamtes (destatis) gestützt, nach denen zurzeit jährlich rund 380.000 Eheschließungen jährlich rund 190.000 Ehescheidungen gegenüber stehen, also rund 50% der Anzahl der Eheschließungen erreichen.

Bei den streitigen Scheidungskosten (873 €) handelt es sich nicht um außergewöhnliche Aufwendungen des Klägers, da derartige Aufwendungen jedenfalls nach den Verhältnissen der Gesamtbevölkerung im Streitjahr (2013) unter Berücksichtigung der Rechtsprechungsentwicklung und der tatsächlichen Entwicklungen im Familienrecht nicht mehr gemäß § 33 Abs. 1 EStG als "außergewöhnlich" eingeordnet werden können.

Gesetzliche Merkmale der Außergewöhnlichkeit

Nach der Legaldefinition der außergewöhnlichen Belastungen in § 33 Abs. 1 EStG setzen diese als Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 des Grundgesetzes (GG)) entweder voraus, dass dem Steuerpflichtigen größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen oder den Steuerpflichtigen aufgrund einer außergewöhnlichen, atypischen, unüblichen, außerhalb der normalen Lebensführung liegenden Situationen zusätzliche Aufwendungen entstehen.

§ 33 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, 4 EStG - "Zwangsläufigkeit"

Darüber hinaus sind die Scheidungskosten auch nicht gemäß § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG als Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten), ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, abziehbar. Für den Kläger bestand hinsichtlich dieses Rechtsstreits weder eine Gefahr für seine - wirtschaftliche - Existenzgrundlage noch bestand die Gefahr, dass er seine lebensnotwendigen - wirtschaftlichen - Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen andernfalls nicht mehr würden befriedigen können.

Das Gericht hat die Neufassung des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz so ausgelegt, dass der Gesetzgeber mit Wirkung ab dem Jahr 2013 die Abzugsfähigkeit der Scheidungskosten als Prozesskosten generell abgeschafft hat (so auch die rechtskräftige Entscheidung des Sächsischen Finanzgerichts vom 13. Novem­ber 2014 2 K 1399/14, juris).

Der Senat weicht damit von der Rechtsprechung des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 16. Oktober 2014 (4 K 1976/14, EFG 2015, 39; Revision eingelegt: VI R 66/14) und des Finanzgerichts Münster vom 21. November 2014 (4 K 1829/14 E, juris; Revision eingelegt: VI R 81/14) ab. Die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) wurde zugelassen.

Rechtsprechungsentwicklung zum Abzug der Scheidungskosten

Das Gericht beschäftigt sich in seinem Urteil intensiv mit der Rechtsprechungsentwicklung zu den Scheidungskosten als außergewöhnliche Belastungen. Hier führt das Gericht ein ein BFH-Urteil aus dem Jahre 1955 an, mit dem alles begann. Damals hat der BFH ohne weitere Begründung derartige Aufwendungen als "zwar außergewöhnlich" nicht aber als zwangsläufig angesehen. Dieses Urteil fußte auf dem damals im Familienrecht geltenden Schuldprinzip bei Scheidungen.

Kurz zusammengefasst

Scheidungskosten sind weder außergewöhnlich nach § 33 Abs. 1 EStG noch nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG in der ab 2013 durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz geänderten Fassung als außergewöhnliche Belastungen abziehbar (amtl. Leitsatz).

Das komplette Urteil finden Sie unter:
Niedersächsisches Finanzgericht 3. Senat, Urteil vom 18.02.2015, 3 K 297/14

Nds. FG
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