Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz hat entschieden, dass der Geschäftsführer eines Unternehmens, welches Kassensysteme nebst Manipulationssoftware herstellt und vertreibt, für die Steuern haftet, die ein Kunde hinterzogen hat (rund 1,6 Mio Euro).

Der Sachverhalt

Der Antragsteller ist Geschäftsführer einer GmbH, die Kassensysteme herstellt und vertreibt. Im November 2002 erwarb der Inhaber eines Eiscafés ein Kassensystem, das neben diverser Hardware auch eine Software zur Manipulation der im Kassensystem erfassten Daten umfasste.

Bei einer Außen- und Steuerfahndungsprüfung beim Inhaber des Eiscafés wurden Manipulationen an den im Kassensystem erfassten Daten seit mindestens Dezember 2003 festgestellt, die zu einer erheblichen Minderung der tatsächlich erzielten Umsätze führten.

In dem Steuerstrafverfahren vor dem Landgericht Koblenz (LG) räumte der Inhaber die Manipulationen in vollem Umfang ein. Er gab an, der Antragsteller habe ihm das Kassensystem verkauft und ihn auch in die Benutzung der Manipulationssoftware eingewiesen. Dabei sei ihm versichert worden, die Software könne völlig risikolos eingesetzt werden. Das LG Koblenz verurteilte den Inhaber wegen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren. Das Urteil und die entsprechend geänderten Steuerfestsetzungen gegen den Inhaber wurden bestands- bzw. rechtskräftig.

Anschließend wurde gegen den Antragsteller ein Verfahren wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung eingeleitet. Darüber hinaus erließ der Antragsgegner (= Finanzamt) einen Haftungsbescheid, mit dem der Antragsteller für die Steuerrückstände des Eiscafeinhabers (seinerzeit rund 2,8 Mio. €) in Haftung genommen wurde, weil der Eiscafeinhaber die hinterzogenen Beträge nicht entrichtet und keine Vollstreckungsmaßnahme bislang nennenswerten Erfolg gehabt hatte.

Mit Einspruchsentscheidung änderte das Finanzamt den angefochtenen Haftungsbescheid und minderte die Haftungssumme auf rund 1,6 Mio. €, da in der Zwischen-zeit beim Eiscafeinhaber Gelder eingetrieben werden konnten.

Der Antragsteller hat Klage erhoben und anschließend einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Zur Begründung machte er geltend, der Haftungsbescheid sei rechtswidrig, außerdem würde die sofortige Vollziehung des angefochtenen Haftungsbescheids eine unbillige Härte für ihn bedeuten. Weder er selbst noch die GmbH würden über ausreichend Liquidität verfügen, um in Vorleistung treten und den geforderten Betrag (rd. 1,6 Mio. €) zahlen zu können.

Aus den Entscheidungsgründen des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz (5 V 2068/14)

Der Eilantrag wurde mit unanfechtbarem Beschluss abgelehnt. Nach den dem Gericht vorliegenden Unterlagen sowie präsenten Beweismitteln bestünden an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Haftungsbescheids keine ernstlichen Zweifel. Wer eine Steuerhinterziehung begehe oder an einer solchen Tat teilnehme, hafte nach § 71 Abgabenordnung (AO) für die verkürzten Steuern und könne gemäß § 191 AO durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden.

Aufgrund des Geständnisses und der rechtskräftigen Verurteilung des Eiscafeinhabers durch das LG Koblenz sei das Finanzamt zutreffend davon ausgegangen, dass er die streitbefangenen Steuern hinterzogen habe. Zu dieser Steuerhinterziehung des Eiscafeinhabers habe der Antragsteller objektiv und subjektiv Beihilfe geleistet und damit i.S. von § 71 AO an dessen Tat teilgenommen. Er habe das mit der Manipulationssoftware verbundene Kassensystem als Geschäftsführer der GmbH an den Eiscafeinhaber verkauft. Dies belege die Rechnung der GmbH, die den Antragsteller als Bearbeiter ausweise. Die Beihilfe zur Steuerhinterziehung bestehe im Streitfall darin, dass der Antragsteller ein komplettes System an den Eiscafeinhaber verkauft habe, und zwar mit dem Wissen, welche Möglichkeiten dieses System biete, und mit dem Ziel, dem Eiscafeinhaber eine Steuerverkürzung zu ermöglichen. Der Antragsteller habe das Kassensystem ausdrücklich als völlig risikoloses Instrument zur Verkürzung von Steuern angeboten und verkauft.

Wenn das Finanzamt einen vorsätzlich Beihilfe zur Steuerhinterziehung leistenden Gehilfen als Haftenden in Anspruch nehme, sei dies regelmäßig eine ermessensgerechte Entscheidung, und zwar unabhängig von der Höhe der Haftungsschuld und/oder den finanziellen Möglichkeiten des Gehilfen. Die Haftungsnorm (§ 71 AO) habe nämlich Schadenersatzcharakter und solle eine Schadensersatzpflicht in Höhe der verkürzten Beträge begründen. Der Antragsteller werde hier nicht für sein Fehlverhalten als Geschäftsführer der GmbH in Anspruch genommen, sondern für die vorsätzliche Beteiligung an einer fremden Steuerhinterziehung.

Auch eine Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheides wegen unbilliger Härte komme nicht in Betracht, denn auch bei Vorliegen einer unbilligen Härte sei eine Aussetzung der Vollziehung nur möglich, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbe-scheides nicht ausgeschlossen werden könnten. Dies sei hier – wie dargelegt – nicht der Fall.

Gericht:
Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 07.01.2015 - 5 V 2068/14

FG RLP
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