Das Finanzgericht Hamburg weicht mit seinem Urteil von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ab. Bei der Frage nach der Zwangsläufigkeit eines Zivilprozesses könne nicht außer Acht bleiben, ob auch das den Prozess auslösende Ereignis für den Steuerpflichtigen zwangsläufig gewesen sei.

Nach Urteil des Finanzgerichts Hamburg sind Zivilprozesskosten steuerlich nicht ohne weiteres als außergewöhnliche Belastung einkommensteuerlich zu berücksichtigen. Mit dieser Entscheidung weicht der 1. Senat des Finanzgerichts Hamburg ausdrücklich von der aktuellen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ab.

Der Sachverhalt

Der 1. Senat des Finanzgerichts Hamburg hat die Klage auf steuerliche Berücksichtigung der Kosten eines Zivilprozesses abgewiesen und ist damit von der seit 2011 geänderten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu den Grundsätzen der Abzugsfähigkeit abgewichen.

Mit dem Urteil vom 12. Mai 2011 hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass Zivilprozesskosten unabhängig vom Gegenstand des Zivilprozesses als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden können. Unausweichlich seien derartige Aufwendungen allerdings nur, wenn die Prozessführung hinreichende Aussicht auf Erfolg biete und nicht mutwillig erscheine. Davon sei auszugehen, wenn der Erfolg des Zivilprozesses mindestens ebenso wahrscheinlich wie ein Misserfolg sei (siehe Beitrag "Zivilprozesskosten sind als aussergewoehnliche Belastungen abziehbar").

Der Kläger hatte 1993 die Gesellschaftsanteile an einer in der ehemaligen DDR enteigneten Kommanditgesellschaft erworben und sich Rückübertragungsansprüche abtreten lassen. Allerdings waren die Vermögensgegenstände der Gesellschaft bereits 1991 vom damaligen Betreiber veräußert worden. Seine Zivilklage gegen die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) auf Zahlung des Veräußerungserlöses und einer Entschädigung blieb erfolglos, weil der Kläger den von ihm behaupteten Verkehrswert des Unternehmens nicht nachweisen konnte.

Weil das Finanzamt seine Prozesskosten von rund 5.000 € weder als Betriebsausgaben noch als außergewöhnliche Ausgaben berücksichtigte, zog er vor das Finanzgericht.

Das Urteil des Finanzgerichts Hamburg

Der 1. Senat des Finanzgericht Hamburgs hat seine Klage abgewiesen. Bei den Kosten handele es sich nicht um Betriebsausgaben. Der Zivilprozess sei nicht betrieblich veranlasst gewesen, weil eine Rückübertragung des Unternehmens von vornherein ausgeschlossen gewesen sei.

Diese Kosten seien allerdings auch keine "außergewöhnliche Belastung" im Sinne des Einkommensteuergesetzes. Außergewöhnliche Belastungen sind private Aufwendungen, die ausnahmsweise steuerlich zu berücksichtigen sind, weil sie zwangsläufig und notwendig sind. Nach Ansicht des 1. Senats sind die Prozesskosten des Klägers nicht zwangsläufig gewesen. Er habe die Ansprüche gegen die BvS freiwillig erworben und damit auch freiwillig das Risiko übernommen, ob die Ansprüche durchgesetzt werden können, gegebenenfalls durch eine Klage. Ein Zusammenhang mit dem notwendigen Lebensbedarf des Klägers und seiner Familie sei nicht erkennbar.

Mit dieser Entscheidung weicht der 1. Senat des Finanzgerichts Hamburg ausdrücklich von der aktuellen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ab. Der BFH hat seine frühere ständige Rechtsprechung, dass bei Kosten eines Zivilprozesses eine Vermutung gegen die Zwangsläufigkeit spreche, mit Urteil vom 12.5.2011 (Az. VI R 42/10) aufgegeben. Zivilprozesskosten seien grundsätzlich zwangsläufig, weil der Bürger wegen des staatlichen Gewaltmonopols seine Ansprüche nicht selbst, sondern nur über die Einschaltung der Gerichte durchsetzen dürfe. Etwas anderes gelte nur für den, der sich mutwillig oder leichtfertig auf einen Prozess eingelassen habe. Diese Rechtsprechungsänderung ist auf geteiltes Echo gestoßen. Das Bundesministerium der Finanzen hat die Anwendung der Entscheidung des BFH durch die Finanzverwaltung am 20.12.2011 durch Erlass eines "Nichtanwendungserlasses" unterbunden.

Der 1. Senat meint, dass bei der Frage nach der Zwangsläufigkeit eines Zivilprozesses nicht außer Acht bleiben könne, ob auch das den Prozess auslösende Ereignis für den Steuerpflichtigen zwangsläufig gewesen sei. Andernfalls würden Prozesskosten in höherem Maße berücksichtigt als andere privat veranlasste Aufwendungen. Außerdem hat der 1. Senat Bedenken, ob es angesichts der Vielgestaltigkeit und der möglichen rechtlichen und tatsächlichen Komplexität von Zivilprozessen überhaupt praktikabel ist, dass die Finanzverwaltung die Erfolgsaussichten eines Zivilprozesses im Rahmen der Veranlagung überprüft. Der 1. Senat des Finanzgerichts Hamburg hat die Revision zugelassen.

Gericht:
Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 24.09.2012 - 1 K 195/11

Quelle: FG Hamburg
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