Die klagenden Eheleute begehren Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II. Im Streit steht insbesondere, ob das Hausgrundstück mit Einfamilienhaus wegen seiner Größe als Vermögen zu berücksichtigen ist. Muss die Familie nach Auszug der Kinder das Eigenheim verkaufen?

Der Sachverhalt

Die klagenden Eheleute begehren für die Zeit vom 1.12.2009 bis 30.4.2010 Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II als Zuschuss anstelle darlehensweise gewährter Leistungen. Im Streit ist insbesondere die Berücksichtigung von Vermögen. Die Kläger sind je zur Hälfte Eigentümer eines Hausgrundstücks mit einem von ihnen selbst 1996 erbauten Einfamilienhaus, dessen Wohnfläche 143,93 qm beträgt. Sie bezogen das Haus zunächst mit ihren vier Kindern, bewohnten es im streitbefangen Zeitraum aber nur noch zusammen mit dem jüngsten Sohn.

Jobcenter setzt Hausgrundstück als Vermögen an

Ihren Fortzahlungsantrag für die Zeit ab Dezember 2009 lehnte der Beklagte mit der Begründung ab, das selbstgenutzte Hausgrundstück sei bei dieser Größe als Vermögen zu berücksichtigen, und bewilligte statt dessen Leistungen nur darlehensweise.

SG Aurich: Leistungen als Zuschuss

Das Sozialgericht Aurich hat den Beklagten verurteilt, den Klägern die Leistungen als Zuschuss zu gewähren, weil es sich bei dem bei Einzug angemessenem Hausgrundstück nach verfassungskonformer Auslegung des Gesetzes um Schonvermögen handele.

LSG Niedersachsen-Bremen: Leistungen als Darlehen

Das Landessozialgericht hat das Urteil des Sozialgerichts geändert und die Klage im Wesentlichen abgewiesen. Das Hausgrundstück sei als Vermögen zu berücksichtigen, weil auf die Lebensumstände während des Bezugs der Leistungen der Grundsicherung abzustellen sei. Im streitbefangenen Zeitraum sei das Haus nur von drei Personen bewohnt worden. Darauf, dass es ursprünglich für eine sechsköpfige Familie erbaut wurde, komme es nicht an. Die Verwertung des Grundstücks stelle auch keine besondere Härte für die Kläger dar.

Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügen die Kläger eine Verletzung des § 12 SGB II und machen geltend, das Hausgrundstück sei geschützt und nicht als Vermögen zu verwerten.

Die Entscheidung des Bundessozialgerichts

Das Bundessozialgericht (Az. B 4 AS 4/16 R) hat die Revision zurückgewiesen. Die Kläger haben mangels Bedürftigkeit keinen Anspruch auf Umwandlung der darlehensweise gewährten Leistungen in einen Zuschuss. Diesem Anspruch steht entgegen, dass ihr Hausgrundstück mit Einfamilienhaus wegen seiner Größe als Vermögen zu berücksichtigen ist.

Nach § 12 Abs 3 S 1 Nr 4 SGB II gilt nur ein selbst genutztes Hausgrundstück von angemessener Größe als Schonvermögen; maßgebend für die Angemessenheit sind gemäß § 12 Abs 3 S 2 SGB II die Lebensumstände während des Leistungsbezuges. Für die Beurteilung der Angemessenheit ist die Gesamtwohnfläche des auf dem Grundstück errichteten Hauses maßgeblich. Diese ist bundeseinheitlich nach den Wohnflächengrenzen des zum 1.1.2002 außer Kraft getretenen Zweiten Wohnungsbaugesetzes (II. WoBauG) zu bestimmen, differenziert nach der Anzahl der Personen.

Angemessenheit der Gesamtwohnfläche

Für Familienheime mit nur einer Wohnung, die von bis zu vier Personen bewohnt werden, sah das II. WobauG eine Wohnflächengrenze von 130 qm vor. Diese Wohnflächengrenze ist bei einer Belegung mit weniger als vier Personen um jeweils 20 qm pro Person zu reduzieren. Hiervon ausgehend beträgt die Wohnflächengrenze einer angemessenen Wohnung im Fall der Kläger 110 qm, denn das Haus wurde im streitbefangenen Zeitraum nur von drei Personen bewohnt. Die Wohnfläche des Hauses von 143,39 qm übersteigt diese Grenze nicht unerheblich.

Besondere Umstände, die eine Anpassung der Werte rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Nicht als normativer Anknüpfungspunkt für eine Erhöhung der allgemeinen Angemessenheitsgrenze kann entgegen der Auffassung des LSG § 82 Abs 3 S 2 II. WoBauG herangezogen werden, wonach eine Verminderung der Personenzahl nach dem erstmaligen Bezug der Wohnung für die Beurteilung der angemessenen Wohnfläche von steuerbegünstigten Wohnungen unschädlich ist.

Ggf. Verkauf des Grundstücks

Die Verwertung des Grundstücks ist auch nicht offensichtlich unwirtschaftlich. Zu Recht hat das LSG auf der Grundlage seiner Feststellungen besondere Umstände verneint, wonach die Verwertung für die Kläger eine besondere Härte bedeuten würde. Soweit die Kläger meinen, der Beklagte hätte ein dem "Kostensenkungsverfahren" im Rahmen des § 22 Abs 1 SGB II bei unangemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung entsprechendes Verfahren durchführen müssen, verkennen sie den Regelungszusammenhang sowie den Sinn und Zweck des Kostensenkungsverfahrens.

Gericht:
Bundessozialgericht, Az. B 4 AS 4/16 R

Quelle: Bundessozialgericht
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