Mehrere erstinstanzliche Sozialgerichte sind den Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) ausdrücklich entgegen getreten. Das LSG Berlin-Brandenburg ist zwar dem BSG nicht entgegen getreten, haben den Sozialhilfeträgern aber weitere Ermittlungen auferlegt, die im Einzelfall auch zum Leistungsausschluss führen können.

Hintergrundinformation

Mit Urteilen vom 3. Dezember 2015 hat der 4. Senat des Bundessozialgerichts die Tür für Sozialhilfeleistungen für Unionsbürger geöffnet. Dem schloss sich der 14. Senat des Bundessozialgerichts mit Urteilen vom 16. Dezember 2015 an. In den entschiedenen Fällen geht es um Unionsbürger (u.a. aus Bulgarien, Rumänien und Griechenland stammend), denen Leistungen nach dem SGB II ("Hartz IV") zu versagen waren, weil ihr Aufenthalt allein der Arbeitsuche diente (§ 7 Abs. 1 SGB II). Das Bundessozialgericht hat hier entschieden, dass zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums zumindest seitens des kommunalen Sozialhilfeträgers Sozialhilfeleistungen im Ermessenswege zu erbringen seien (§ 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII).

Urteile des Bundessozialgerichts trafen auf harsche Kritik

Diese Entscheidungen des Bundessozialgerichts trafen in der Öffentlichkeit auf zum Teil harsche Kritik. Mehrere erstinstanzliche Sozialgerichte sind den Entscheidungen des Bundessozialgerichts ausdrücklich entgegen getreten, so etwa das Sozialgericht Berlin in einem Urteil vom 11. Dezember 2015 - S 149 AS 7191/13 oder das Sozialgericht Speyer in einem Urteil vom 29. März 2016 - S 5 AS 493/14. Diese Kritik hält dem Bundessozialgericht entgegen, dass es sich über den Wortlaut des Gesetzes und über den Willen des Gesetzgebers hinwegsetze, weil erwerbsfähige Personen dem Regelungsbereich des Sozialhilferechts gar nicht unterfielen.

In zwei Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hatten die beiden für Sozialhilfe zuständigen Senate des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg nun auf der Grundlage der neuen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu entscheiden .

Die Entscheidungen des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg

Die Antragsteller in beiden Verfahren sind polnische Staatsangehörige, denen seitens des Jobcenters Leistungen nach dem SGB II verweigert wurden, weil sie sich lediglich zum Zwecke der Arbeitsuche in Deutschland aufhielten (§ 7 Abs. 1 Nr. 2 SGB II). In beiden Fällen haben die Senate den Sozialhilfeträger zur Gewährung von Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt für zunächst drei Monate verpflichtet.

Während dieser drei Monate habe der jeweilige Sozialhilfeträger die weiteren Umstände des Einzelfalles und insbesondere den jeweiligen Aufenthaltsstatus der Antragsteller aufzuklären, um eine fundierte Ermessensentscheidung über die Weiterbewilligung von Sozialhilfe treffen zu können.

Damit sind der 15. und der 23. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg zwar der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht entgegen getreten, haben den Sozialhilfeträgern aber weitere Ermittlungen auferlegt, die im Einzelfall auch dazu führen können, dass am Ende das nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII bestehende Ermessen zu Lasten der Betroffenen ausgeübt wird oder dass aufgrund eines verfestigten Aufenthaltsrechts doch das Jobcenter nach dem SGB II leistungspflichtig ist. Die Beschlüsse sind rechtskräftig.

Gericht:
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13.04.2016 - L 15 SO 53/16 B
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13.04.2016 - L 23 SO 46/16 B

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