Die bisher schon durch 3 europäische Richtlinien harmonisierten Vorschriften für die Medizinprodukte und In-vitro-Diagnostika werden vollständig überarbeitet und in 2 neuen EU-Verordnungen mit direkter Geltungswirkung in Kraft gesetzt.

Das europäische Medizinprodukterecht wird aktuell von den europäischen Rechtsetzungsorganen vollständig überarbeitet und dies wird erhebliche Auswirkungen auf das nationale deutsche Medizinprodukterecht haben. Bereits am 26.09.2012 hat die EU-Kommission mit dem Entwurf einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Medizinprodukte und zur Änderung der Richtlinie 2001/83 EG, der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 (Medical Device Regulations - MDR) und dem Entwurf einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über In-vitro-Diagnostika zwei Rechtsverordnungen im Entwurf vorgelegt. Die ursprüngliche Verordnung über Medizinprodukte hat bereits zahlreiche Änderungen erfahren und befindet sich aktuell im parlamentarischen Verfahren. Die neuen Verordnungen sollen das Medizinprodukterecht insgesamt neu ordnen.

Wurde von den europäischen Rechtsetzungsorganen für die Rechtsetzung im Medizinprodukterecht bisher die „Richtlinie“ gewählt, ergibt sich bei der geplanten Neuordnung insoweit eine Besonderheit: diesmal handelt es sich um EU-Verordnungen. Eine EU-Verordnung entfaltet direkte Rechtswirkungen und muss nicht - anders als die EU-Richtlinie - in den jeweiligen Mitgliedstaaten in das nationale Recht transformiert werden. Für das nationale deutsche Medizinprodukterecht ergeben sich insoweit Auswirkungen dergestalt, dass die beiden EU-Verordnungen direkt und nebeneinander gelten und damit nicht - wie das MPG in einem „Gesetz“ zusammengefasst sind. Weiterhin ist noch unklar, wie zu verfahren ist, wenn die nationalen medizinprodukterechtlichen Regelungen über die EU-Verordnungen hinausgehen oder daneben bestehen bleiben, weil die EU-Verordnungen nicht alle Bereiche erfassen. Grundsätzlich können einzelne, nationale Vorschriften, die über die EU-Verordnungen hinausgehen, bestehen bleiben, sofern sie den europäischen Vorschriften nicht zuwiderlaufen. Die neuen Verordnungen werden das nationale Medizinprodukterecht jedoch weitestgehend ersetzen.

Zwar werden die beiden EU-Verordnungen das europäische und nationale Medizinprodukterecht durchaus neu ordnen und es werden neue und umfangreichere Vorschriften auf die Akteure zukommen. Eine grundsätzliche Abkehr von dem der medizinprodukterechtlichen Rechtsetzung zugrundeliegenden Grundkonzept wird jedoch nicht erfolgen. Für die Rechtsetzung waren seinerzeit die Gewährleistung des freien Warenverkehrs mit Medizinprodukten, der schnelle Marktzugang und die Stärkung der Innovationskraft unter gleichzeitiger Wahrung eines hohen Schutz- und Sicherheitsniveaus maßgebend. Dieser Grundgedanke findet sich wieder in der sog. Neuen Konzeption (New-Approach-Konzept) und bildete die Grundlage für die Harmonisierung der nationalen medizinprodukterechtlichen Rechtsvorschriften. Dieses Prinzip wird beibehalten. Ein staatliches Zulassungsverfahren (wie im Arzneimittelrecht) für Medizinprodukte wird es - obwohl von einigen öffentlichen Stellen und Experten unter Hinweis auf die Patientensicherheit gefordert - nicht geben. Es bleibt bei dem Prinzip der Marktzulassung durch CE-Zertifizierung unter Beteiligung der Benannten Stellen.

Das neue Medizinprodukterecht weist eine erhebliche Regelungsdichte auf. Hatte die bisherige Richtlinie über Medizinprodukte noch 23 Artikel und 12 Anhänge, so finden sich in der neuen Verordnung ganze 97 Artikel und 16 Anhänge. Die Verordnung fasst die Regelungen der Richtlinie über aktive medizinische Geräte und über Medizinprodukte zusammen. Die In-vitro-Diagnostika (IVD) werden in einer gesonderten Verordnung geregelt und ersetzen die Regelungen der bisherigen IVD-Richtlinie. Die Struktur der Verordnung besteht aus unverbindlichen Erwägungsgründen, den eigentlichen Rechtstexten in 10 Kapiteln und konkretisierenden Anhängen. Neu ist auch, dass die Verordnungen der Europäischen Kommission Befugnisse einräumen, durch delegierende Rechtsakte Konkretisierungen der Verordnungen vorzunehmen.

Aufgrund der erheblich zunehmenden Regelungsdichte sollten alle mit dem Medizinprodukterecht befassten Akteure die Zeit bis zur Anwendbarkeit des neuen Medizinprodukterechts (voraussichtlich 2017/2018) nutzen, sich auf die neuen Regelungen einzustellen.

Autor: Rechtsanwalt Dr. Uwe Kage

Rechtsanwalt Dr. Uwe Kage
Koch&Kollegen
Wiesenau 27-29
60323 Frankfurt am Main
Fachanwaltskanzlei für Medizinrecht
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