Das Bundessozialgericht hat entschieden, dass allein der geringe Streitwert der ursprünglichen Klage nicht dazu führt, dass die jährliche Regelentschädigung (Entschädigungspauschale) wegen immaterieller Nachteile bei überlanger Verfahrensdauer auf den Streitwert des Ausgangsverfahrens abgesenkt wird.

Der Sachverhalt

Das Landessozialgericht (LSG) hatte anstelle der begehrten 2100 Euro nur eine Entschädigung von 216 Euro zugebilligt. Dies entsprach dem Streitwert der ursprünglichen Klage gegen die Absenkung der Regelleistung nach dem SGB II wegen Meldeversäumnis. Ist eine Entschädigungszahlung über den Wert des mit dem Ausgangsverfahren verfolgten wirtschaftlichen Interesses im Grundsatz unbillig i.S. des § 198 Abs. 2 S. 4 GVG?

Die Entscheidung des Bundessozialgerichts (Az. B 10 ÜG 11/13 R)

Entgegen der Rechtsauffassung des LSG lässt es das Gesetz nicht zu, die Entschädigung grundsätzlich auf den Betrag des Streitwerts zu kappen, wenn und soweit die jährliche Entschädigungspauschale von 1200 Euro den Streitwert des überlangen Ausgangsverfahrens um ein Vielfa­ches übersteigt, so das Urteil des Bundessozialgerichts (B 10 ÜG 11/13 R).

Die Entschädigung bei überlanger Verfahrensdauer ist in Verfahren mit niedrigen Streitwer­ten deshalb nicht ohne Weiteres auf den Betrag des Streitwerts begrenzt. Nur wenn die Entschädigung von 1200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung nach den Umständen des Einzelfalls unbillig ist, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen. Dies ist nur in atypischen Sonderfällen anzunehmen. Die grundsätzliche Entscheidung des Gesetzgebers für eine Pauschalierung soll eine zusätzliche Belastung der Gerichte bei der Bemessung der Entschädigung in Geld vermeiden.

Entschädigung ist nicht ohne Weiteres auf den Betrag des Streitwerts begrenzt

Der geringe Streitwert ist in Grundsicherungsangelegenheiten keine Besonderheit und als genereller Maßstab für eine Absenkung nicht tauglich. Berücksichtigungsfähig im Sinne einer Absenkung sind etwa eine außergewöhnlich geringe Bedeutung des Verfahrens für den Betroffenen oder aber auch eine nur kurzzeitige Verzögerung. Die noch fehlenden Feststellungen zu atypischen Besonderheiten wird das Landessozialgericht noch nachzuholen haben, ebenso wie diejenigen zur Unangemessenheit der Verfahrensdauer unter Berücksichtigung der jüngeren Senatsrechtsprechung.

Rechtsgrundlage:
§ 198 Gerichtsverfassungsgesetz

Gericht:
Bundessozialgericht, Urteil vom 12.02.2015 - B 10 ÜG 11/13 R

BSG, PM
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